Appetit verbaut

Wie der Sommer schmeckt, dem versuchen wir anhand einiger Beispiele in dieser Ausgabe auf den Grund zu gehen. Nach Erdbeer- oder Schoko-Eis. Nach Melone und Pfirsich. Nach gegrilltem Fleisch. Nach einem kühlen Radler oder einem erfrischenden Cocktail. Vielleicht auch nach ein bisschen Sonnencreme, die vor dem Besuch des Freibades etwas zu ungestüm im Gesicht verteilt wurde … Nun, jeder mag mit dem Geschmack und dem Duft des Sommers etwas anderes in Verbindung bringen. In Magdeburg allerdings schmeckt die warme Jahreszeit vielerorts nach Staub und Bau-Dreck. Sie riecht nach Teer und klingt nach Pressluftbohrhammer, nach dem Einsetzen von Spundwänden und nach rumpelnden Baggern sowie anderem schweren Gerät.


Etliche Baustellen sind in den vergangenen Wochen aus dem Boden geschossen – wie Pilze bei milden Temperaturen, nach ausgiebigem Regen. Die Tunnelbaustelle, die schon für viel Unmut gesorgt hat und dies auch noch in den folgenden Jahren tun wird, muss fast gar nicht mehr erwähnt werden. Traurigerweise hat man sich irgendwie an die Unzugänglichkeit des „Area 39104“ gewöhnt. Doch mit jeder Sperrung, die in der Zwischenzeit hinzugekommen ist – und noch hinzukommen wird, macht das Verkehren, Bewegen, Flanieren, Einkaufen in der Stadt weniger Spaß. In der Innenstadt sorgen derzeit Bauarbeiten im Nordabschnitt des Breiten Wegs für Einschränkungen – bis voraussichtlich zum 19. Oktober. Etwas weiter südlich ist der Breite Weg bis 13. September zwischen Kepler- und Danzstraße ebenfalls, in einer Fahrtrichtung, gesperrt.

Die Zustände im Zentrum Magdeburgs haben die Interessengemeinschaft Innenstadt veranlasst, einen offenen Brief an Oberbürgermeister Lutz Trümper zu verfassen. „Mit wachsender Unruhe und zunehmender Sorge um ihre unternehmerische Existenz nehmen die Mitglieder der IG Innenstadt die stetig steigende Zahl von Baustellen in Magdeburg zur Kenntnis. (…) Natürlich soll und muss gebaut werden, um die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und auszubauen. Die Frage aber ist: Muss dies wirklich zeitgleich und an nahezu allen wichtigen Zugangsstraßen in die Innenstadt geschehen?“, heißt es in dem Schreiben. „Die Frequenz in den Innenstadtgeschäften ist vor allem dadurch dramatisch gesunken. (...) Darunter leiden nicht nur die großen Center und Kaufhäuser, inzwischen sind auch die letzten inhabergeführten Einzelhändler am Ende“, so Verfasser Rolf Lay, Vorstandsmitglied der IG Innenstadt und IHK-Vizepräsident. Aufgrund der Erfahrung mit anderen, nicht termingerecht fertiggestellten Bauprojekten sieht die IG Innenstadt mit Blick auf den Nordabschnitt Breiter Weg auch das wichtigste Umsatzquartal des Einzelhandels – das Weihnachtsgeschäft – in Gefahr. Die Interessengemeinschaft bittet Trümper deshalb darum, „bei der Genehmigung von Baustellen mit Straßensperrungen die Interessen aller Betroffenen zu berücksichtigen und nicht nur jener, die offenbar stets entweder die Unaufschiebbarkeit der Maßnahme oder Fördergeldfristen ins Feld führen.“ Zudem fordern sie, frühzeitiger informiert zu werden sowie die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen, wie man Baustellen und Sperrungen im Interesse aller Akteure in der Innenstadt effektiver koordinieren kann.


Doch nicht nur im Zentrum der Landeshauptstadt sorgen Baustellen für Unmut. Im Norden ist beispielsweise die Lübecker Straße zwischen Haldensleber Straße und Moritzstraße sowie zwischen Heinrichstraße und Kastanienstraße in einer Fahrtrichtung bis Ende September gesperrt. Und südlich der Innenstadt stockt und staut es sich rund um Raiffeisenstraße, Warschauer Straße sowie Schönebecker Straße. Der Bau einer neuen Straßenbahntrasse und damit verbundene Arbeiten (u.a. Verlegung eines Mischwasserkanals) beeinträchtigen nicht nur den Verkehr. Zwar geht es stadtauswärts in mäßigem Tempo noch immer gut voran, in umgekehrter Richtung müssen jedoch Umwege in Kauf genommen werden. Zudem stellen die Magdeburger Verkehrsbetriebe bis 14. August die Straßenbahnlinie 2 ein. Zwischen Westerhüsen und Hasselbachplatz fährt dann als Ersatz die Buslinie 42. Für Einzelhändler und Gastronomen wird daher die Lage immer prekärer. So klagen u.a. die „Getränkefeinkost“ in Nachbarschaft zum Bahnhof und die Buckauer Eis-Instanz „Bortscheller“ unweit des Thiemplatzes über einen deutlich spürbaren Rückgang an Kunden. „Durch die Bauarbeiten haben wir 50 Prozent weniger Durchgangsverkehr in Buckau“, erklärt der Inhaber der Eiskonditorei, Robert Bortscheller. „Da ist es doch kein Wunder, wenn viel weniger Menschen den Weg hierher finden. So macht das keinen Spaß mehr.“ Irgendwie müsse man sich über Wasser halten und das Ganze aussitzen. „Denn ein Ende ist noch nicht in Sicht. Selbst wenn die aktuellen Bauarbeiten planmäßig beendet werden, steht im kommenden Jahr die weitere Sanierung der Schönebecker Straße an.“ Das verdirbt selbst dem größten Eis-Freund den Appetit – und auch allen anderen, die sich für eine Belebung der Innenstadt beziehungsweise ihres Viertel engagieren. Tina Heinz

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