Hilflos durch den Berufe-Dschungel

Und? Was möchtest du später mal werden? Dies ist vermutlich die nervigste Frage, die junge Menschen ab einem gewissen Alter häufiger zu hören bekommen. Die erste Reaktion, die dann folgt, ist ein resigniertes Schulterzucken … kurzes Schweigen … schließlich die Aufzählung diverser Möglichkeiten. Irgendwas mit Menschen, irgendwas mit Autos, irgendwas mit Medien. Oder, oder, oder. Es ist eben nicht so einfach, sich heutzutage im Arbeitsdschungel zu orientieren. Mehr als 9.000 Studiengänge gibt es bundesweit an Hochschulen. Hinzu kommen etwa 350 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe und viele weitere Berufsmöglichkeiten. Natürlich müsste man sich zunächst entscheiden, ob nun ein Studium oder eine Ausbildung das richtige ist. Wenn noch dazu die Eltern die Entscheidungsfindung beeinflussen, Lehrer zahlreiche Ratschläge geben und die Medien über Fachkräftemangel und zu wenig Studienplätze berichten, dann ist die Verwirrung perfekt.

Vielleicht erst einmal ausprobieren. Ein Praktikum machen. Oder ein Freiwilliges-Irgendwas-Jahr. Anfangen zu studieren, um dann festzustellen, dass es doch nicht das richtige ist. Informationen bei diversen Berufsmessen sammeln. Orientierung im Internet suchen – in dieser vernetzten Welt voller Möglichkeiten, in der jede Antwort auf jede Frage nur einen Mausklick entfernt ist. Stattdessen: noch mehr Verunsicherung. Oder ist der Berufswunsch, YouTube-Star zu werden, ernst zu nehmen? In der Generation Z, die scheinbar völlig selbstverständlich mit Smartphones aufwächst, ist das gar nicht so abwegig. Mobile first. Immer „on“. Immer erreichbar. Das Leben von Kindern und Jugendlichen in Deutschland wird zunehmend vom Internet bestimmt, lautet ein Fazit der Bitkom-Studie „Kinder & Jugend in der digitalen Welt“. Demnach nutzen 51 Prozent der 10- und 11-Jährigen die Video-Plattform YouTube, bei den 16- bis 18-Jährigen sind es 76 Prozent. Mehr als jeder Dritte der knapp 1.000 Befragten gab an, dass sein Lieblingsstar ein „Influencer“ bei YouTube ist. Also jemand, der aufgrund der großen Reichweite und Popularität im Internet die öffentliche Meinung beeinflussen kann. Helden aus Film, Musik und Sport sind wohl von gestern.

Es könnte so einfach sein … Warum sollte man jahrelang studieren oder eine Ausbildung absolvieren, wenn zum Geldverdienen ein internetfähiges Gerät samt Kamera reicht? Zumal im Netz unter Überschriften wie „So verdienst du als Influencer viel Geld“ hilfreiche Tipps abgesondert werden, die jedes Kind von einer Karriere à la Dagi Bee oder Sami Slimani träumen lassen. Schließlich ist es das, was dieser Welt fehlt … noch mehr Menschen, die anderen Menschen erklären, was der neuste Schrei in Sachen Lifestyle, Mode, Styling, DIY-Projekte u.v.m. ist. Sodass jeder auf das Display blickt und sieht, wie das Leben funktioniert. In einer Welt, in der die Individualität zwischen Berieselung und Bedeutungslosigkeit versinkt … in der es keinen Mut für eigene Ideen und für Entscheidungen braucht. (th)

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