Sommer mit Geschmack

Der Sommer ward einst von jedem Poeten in eine Reimform gegossen. Besungen wurden seine schönsten Seiten, wenn Natur und Jahreszeiten in höchster Pracht standen und die Bauern begannen das Getreide einzufahren. Doch irgendwie haben sich über liebliche Sommerstimmen dunkle Klänge gelegt. Aus Hitze und Trockenheit werden Klimaklagelieder komponiert. Man weiß gar nicht, ob der Sommer noch Spaß machen darf. Urlaubsausflügler reisen mit schlechtem Gewissen, weil das Flugzeugkerosin die Atmosphäre aufzuheizen vermag. Um Himmels Willen holen Sie bloß den Grill unter den Spinnweben nicht hervor und lassen Sie die Steaks in der Kühltruhe. Man beschaue sich die ostelbischen Sandböden und sieht wie selbst mächtigen Waldbäumen fehlender Regen zu schaffen macht. Die Magdeburger Innenstadt ist bei Temperaturen ab 30 Grad Celsius noch menschenleerer als sonst. Schiffe der Weißen Flotte passieren die Stadtsilhouette nicht mehr. Wohin ist die Sommerleichtigkeit entschwunden? Die Frage möchte man ausrufen. Bedrückende Hitze wird zusätzlich von politischen und Internet-Blasen beschwert. So schmeckt kein Sommer. Und es tönt vielstimmig die Erzählung, dass wir alle selbst Schuld daran tragen, wie es nun ist. Mag manchen der Sommer nicht mehr schmecken, die Jahreszeit kennt so viele Facetten mit Open-Airs, schattigen Restaurantgärten, Sommeraufführungen und Gartenpartys. Kühle Getränke, frische Salate, Zusammenkünfte unter Familien und Freunden – jeder schneide sich seine Scheibe Sommer ab. Auch wenn die Baustellen in der Landeshauptstadt manche Bewegung abwürgen, es besteht Hoffnung, dass es im nächsten Sommer anders wird. Und wenn gar nichts mehr hilft, sehen wir auf die Kinder, die genüsslich am kalten, süßen Eis lecken. Diese Freude kann kein noch so trostloser Sommergeschmacks-Vermittler wegreden. (tw)

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