Uni-Forschung: Schützt Ausdauersport vor Demenz?

„Synaptische Ursachen der Alzheimer-Demenz und was man von Mausmodellen darüber lernen kann“. Prof. Dr. Volkmar Leßmann, Direktor des Instituts für Physiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hält dazu am 15. November einen Vortrag im Museum für Naturkunde.

Demenzerkrankungen wie der Morbus Alzheimer sind in westlichen Indus-trienationen heute zu einem „Schrecken des Alterns“ geworden. Die Hauptursache für die Alzheimer-Erkrankung ist dabei – so lakonisch es klingen mag – ein hohes Lebensalter. Nicht zuletzt durch große Fortschritte der modernen Medizin im Kampf gegen Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen liegt in Deutschland die mittlere Lebenserwartung inzwischen bei etwa 80 Jahren – Tendenz weiter steigend. Gerade in der achten Lebensdekade nimmt aber der Prozentsatz Demenzkranker rasant zu. Während bei Ausbruch der Krankheit vor allem das Abspeichern neuer Gedächtnisinhalte in der Großhirnrinde unseres Gehirns immer schwerer fällt, werden Alzheimer-Patienten innerhalb nur weniger Jahre zunehmend auch der Erinnerungen beraubt, die sie über Jahrzehnte vor dem Vergessen bewahrt hatten. Das ist nicht nur für die betroffenen Patienten selbst ein schwer zu ertragendes Schicksal, das unausweichlich in die vollkommene Unselbstständigkeit führt, sondern auch für die Angehörigen eine sprachlos machende Tragödie. Trotz intensiver Forschung in den letzten 20 bis 30 Jahren gibt es bis heute noch keine vielversprechenden Medikamente gegen die Krankheit. Als Silberstreif am Horizont reift aber seit etwa zehn Jahren zunehmend die Erkenntnis, dass Ausdauersport den Ausbruch einer Demenzerkrankung verzögern kann. Ob sportliche Aktivität auch als Therapie bei bereits ausgebrochener Demenz eingesetzt werden kann und womöglich den bereits aufgetretenen Gedächtnisverlust sogar teilweise rückgängig machen könnte, ist derzeit aber völlig unklar.

Um solche Sport-basierten Therapiestrategien  systematisch untersuchen zu können, ist der Einsatz von Tierversuchen ein wichtiger Schritt. Durch das Einführen genetischer Veränderungen in Mäusen, die auch bei der besonders tückischen, familiären Form der Alzheimer-Demenz (AD) des Menschen vorliegen, können Mäuse gezüchtet werden, die den AD-typischen Gedächtnisverlust und die für AD typischen Proteinablagerungen in den Gehirnen zeigen. Mithilfe dieser Mäuse können nun Alzheimer-Therapeutika untersucht werden, bevor sie in klinischen Studien auch an Menschen getestet werden können. Solche Tierversuche haben bereits vor einigen Jahren zu der Erkenntnis geführt, dass der im Gehirn von Mäusen und Menschen gebildete Wachstumsfaktor BDNF (brain-derived neurotrophic factor) ein wichtiges Bindeglied zwischen Sport und erhöhter Gedächtnisleistung darstellt. BDNF wird bei Lernvorgängen an den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen des Gehirns, den Synapsen, ausgeschüttet und vermittelt durch biochemische Prozesse eine effektivere Weitergabe der elektrischen Signale zwischen den Nervenzellen. Dieses BDNF-vermittelte “Schmieren“ der Synapsen wird als der zelluläre Prozess der Gedächtnisbildung in unseren Gehirnen angesehen.

Ein Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Volkmar Leßmann vom Institut für Physiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg untersucht zusammen mit sieben weiteren europäischen Arbeitsgruppen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Norwegen und Finnland seit 2016, ob das Lernverhalten von Alzheimer-Mäusen durch Sport und eine stimulierende Lebensumgebung über solche BDNF-abhängigen Prozesse verbessert werden kann. Die Wissenschaftler um Prof. Leßmann wollen herausfinden, ob sich Defizite ausgleichen lassen und ob sich das Lern- und Gedächtnisvermögen vorbelasteter Mäuse unter dem Einfluss bestimmter Wirkstoffe bzw. eines umfangreichen Bewegungstrainings im Laufrad verbessert.

Zusätzlich zum Gedächtnistest im Schwimmbad wird bei den Mäusen die elektrische Aktivität an den Synapsen, das Wachstum neuer Synapsen und den beiden Prozessen zugrundeliegende biochemische Mechanismen untersucht, die mit erfolgreichen Behandlungen der Alzheimer-Mäuse einhergehen. Erste Ergebnisse der Studie lassen erkennen, dass nicht nur das Laufradtraining der Mäuse, sondern schon allein eine zum Spielen anregende Umgebung (die sogenannte enriched environment) das Zugrundegehen von Synapsen in ihren Gehirnen und den damit einhergehenden Gedächtnisverlust der Alzheimer-Mäuse wirksam bremsen können. Zurzeit testen die Wissenschaftler, ob diese positiven Effekte durch Medikamente weiter unterstützt werden können, die die Menge des synthetisierten BDNF im Gehirn ansteigen lassen.

Prof. Leßmann wird über Aktuelles aus der Alzheimerforschung am Mausmodell und über die Ergebnisse des von ihm geleiteten europäischen Forschungskonsortiums zur Therapie der Alzheimer Erkrankung im Mausmodell am 15. November, um 19 Uhr, im Museum für Naturkunde berichten. Die Anwendung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse auf den Menschen liegt gar nicht so fern. Dies lässt sich aus neuesten Tanz-, und Bewegungsstudien ableiten, auf die Volkmar Leßmann ebenfalls kurz eingehen wird. Der Vortrag ist eine Gemeinschaftsveranstaltung des Museums für Naturkunde, des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Magdeburg 1869 e.V. und emeritio, dem Kollegium im Ruhestand befindlicher Professoren, in der Reihe „Forschung verstehen“. Auf den Vortrag von Prof. Leßmann wird das mehrfach preisgekrönte und durch Konzerte in und um Magdeburg bekannte Blockflötenensemble „TriAngeli“ des Konservatoriums Georg Philipp Telemann einstimmen. Der Eintritt zur Vortragsveranstaltung ist frei. Prof. Dr. Detlef Siemen

Prof. Dr. rer. nat. Volkmar Leßmann ist der Direktor des Instituts für Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er studierte Biochemie an der Universität Hannover und schrieb seine Diplomarbeit am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in Martinsried in der Neurophysiologie bei Prof. Lux. Am Lehrstuhl für Molekulare Neurobiochemie der Ruhr-Universität Bochum promovierte Prof. Leßmann 1993 und war bis 2002 dort beschäftigt. Die Habilitation erfolgte 2002 für das Fach Biochemie mit einer Arbeit über „Die Bedeutung neurotropher Faktoren für die Entwicklung und die Funktion chemischer Synapsen des zentralen Nervensys-tems”. Bis 2007 war er Hochschuldozent am Institut für Physiologie & Pathophysiologie der Johannes-Gutenberg Universität Mainz (Prof. Luhmann). 2007 erhielt er den Ruf an die Medizinische Fakultät der O.-v.-G.-Universität Magdeburg, wo er seitdem Direktor des Instituts für Physiologie ist. Seit 2016 leitet er das EU-geförderte Projekt CircProt, das in Kooperation mit 7 weiteren internationalen Forschungslaboren Therapie-Strategien zur Behandlung der Alzheimerdemenz im Mausmodell untersucht.

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