Autos sollte keiner mehr verschenken

Weihnachtsmann, Du bist ja nun bald wieder im großen Einsatz. Sind die Vorbereitungen fürs Fest abgeschlossen?

Unsinn, alle schauen nur auf die Bescherung und glauben, damit sei alles getan.

Klar, die meiste Arbeit steckt ja in den Vorbereitungen und die laufen bestimmt auf Hochtouren.

Bei mir läuft immer alles auf Hochtouren und ich könnte echt platzen.

Warum das? Du bist doch für die schönen Momente da, für leuchtende Kinderaugen, fürs Beschenken und gemeinsame Freuden.

Dann will ich Dir mal ein Beispiel geben: Ich klingle bei Familien, werde eingelassen und dann schalten die Eltern noch nicht einmal den riesigen Flachbildschirm ab. Damit mich die Kinder beachten, muss ich mich vors Bild stellen.

So etwas gibt es?

Das ist noch harmlos. Die scheinheiligen Diskussionen über Umweltschutz, Klima und Gleichberechtigung gehen mir echt auf den Weihnachtsmannsack. Wenn ich die Geschenkeberge sehe, die ich Jahr für Jahr in die Wohnzimmer schleppe, mit Spielzeug und technischem Schnickschnack, den ich aus Fernost rankarren muss, weiß ich echt nicht mehr, was ich von mancher Debatte hier halten soll.

Moment Mal, Du bist jetzt aber ziemlich politisch. Das passt nicht zum Weihnachtsmann.

Aber hallo, es ist doch mittlerweile alles ein Politikum. Puppen und Autos werden als Geschlechterrollenklischees verdammt. Autos sollten wegen ihrer Luftverschmutzung überhaupt nicht mehr verschenkt werden. Die sind doch nur Werbung für die üble Fahrzeugindustrie. Oder?

Wenn Du das so siehst… Was sollte man dann schenken?

Von mir aus alles. Aber das Jahr über wird Falsches hier und Verwerfliches dort debattiert; an allem hängt doch heute ein ideologicher Stempel, wenn man die politischen Diskussionen hört. Allerdings klaffen Gerede und Wohnzimmerwirklichkeit weit auseinander. Und darüber soll ich mich nicht aufregen dürfen?

Weihnachtsmann und Politik – das passt irgendwie nicht.

Ich sage Dir, was nicht passt: die Friede-Freude-Eierkuchen-Zukunfts-Heuchelei mit Weltuntergangsfantasie-Gefasel-Garnierung und Digital-Demenz-Intelligenzkunst-Soße. Und überhaupt: Warum fordert für mich niemand eine Quote? Ich will, dass eine Weihnachtsfrau die Macht übernimmt. Hausarbeit, Geschenke-Wahn und Zustellbescherung im verstopften Güterverkehr – alles muss ich allein machen. Soll das bitte eine Frau übernehmen. Ich habe den Weihnachtskanal gestrichen voll.

Das klingt so, als würde es mit Dir bald ein schlechtes Ende nehmen?

Das dauert auch nicht mehr lange. Der Weihnachtszweck ist lange vergessen. Zuneigung und Liebe misst sich an Geschenkebergen und Aufmerksamkeit tönelt meistens nur noch auf dem Smartphonebildschirm. Wenn das die Zukunft dieses Festes ist, hänge ich den Job an den Nagel.

Du könntest doch wahrlich ganz im Sinne des Digitalisierungstrends nur noch per Videobotschaft erscheinen.

Ja, könnte ich. Aber wer bringt denn die ganzen Taschencomputer in die Wohnzimmer?

Dafür gibt es doch Paketdienste.

Siehst du, mich braucht es gar nicht, nur als gutes Gewissen, als Illusion und Märchenonkel. Man kann mich ein- und abschalten, wann man will. Das ist die moderne Vorstellung von der Welt – alles kann, je nachdem, wer gerade was will. Ich will das nicht. Dann läuft Weihnachten eben ohne mich.

Das ist aber schade.

Nö, das ist des Menschen Himmelreich. (tw)

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