Buckau: Geschichte eines zähen Wandels

Im Magdeburger Stadtteil Buckau mussten Bewohner stets ausharren können – im 19. Jahrhundert in Maschinenhallen, in der DDR in Wohnungen mit verfallenen Hinterhöfen und heute im Warten auf einen Durchbruch für Urbanität.

Buckau zeigt wie kein anderer Magdeburger Stadtteil wie zäh und schwierig sich der Wandel vom Industriezeitalter in eine erfolgreiche Entwicklung unter heutigen Möglichkeiten vollzieht. Zwischen südlicher Altstadt und Salbke. Hermann Gruson und Rudolf Wolf legten Mitte des 19. Jahrhunderts in Buckau mit ihren Maschinenfabriken den Grundstein für eine über einhundertjährige Industrieentwicklung. Der Stadtteil wurde quasi zum Pulsgeber eines Magdeburger Aufschwungs in die Moderne. 1782 wurden hier gerade Mal 264 Einwohner gezählt. Später rauchten hier die Schlote über dem Werk der Friedrich Krupp AG. Von 9.700 im Jahr 1871 stieg die Einwohnerzahl bis 1882 auf 16.000. Zwei Jahre danach erfolgte die Eingemeindung der Stadt Buckau nach Magdeburg. Nicht zuletzt wegen der Rüstungsgüter, die hier während des 2. Weltkrieges hergestellt wurden, war Magdeburg zu Kriegsende noch Zielscheibe der angloamerikanischen Bombenangriffe.

Dennoch blieb der Stadtteil nach dem Krieg mit seinen großen Industrieanlagen der Kombinate SKET, SKL und MAW einer der wichtigsten Bereiche, in denen Menschen aus der Region arbeiteten. Bei einer Volkszählung 1971 wurden in Bu-ckau 11.463 Einwohner registriert. Was die DDR-Verantwortlichen als nicht erhaltbar ansahen, waren die Buckauer Mietskasernen. Die verfielen in 40 Jahren sozialistischem Experiment. Der Stadtteil hatte den schlechtesten Ruf unter den Magdeburgern. Hier wollte niemand hinziehen. Mit der Deutschen Einheit begann ein rasanter indus-trieller Niedergang. Von den großen Industriebetrieben, die einst in Buckau produzierten, blieb keiner erhalten. Die Anzahl der Einwohner erreichte 1997 mit 3.348 den niedrigsten Wert.

Aber das Stadtteilareal nahe der Elbe sollte nicht aufgegeben werden. Der damalige Oberbürgermeister Willi Polte und sein Stadtplanungsamtschef Eckhard Peters erreichten für Buckau den Status eines Sanierungsgebietes. Dadurch konnten Fördermittel in eine teilweise Neugestaltung des Gebietes fließen. Entlang der Elbe sind die begehrten Grundstücke längst bebaut. Im ehemaligen Messgerätewerk „Erich Weinert“ sind Lofts entstanden. Zahlreiche Häuser zwischen Warschauer Straße bis zum Ende der Karl-Schmidt-Straße sind bereits saniert. Die Gegend um den Engpass ist bis zum Thiemplatz urbaner Mittelpunkt von Bu-ckau. Über die Ansiedlung von Subkultur und Künstlern sollte der Stadtteil schnell an Anziehung gewinnen. Doch das funktioniert offenbar nicht in der erwarteten Dynamik.

Heute wohnen in Buckau rund 6.400 Menschen. Zum Überleben für viele Kreative und Künstler reicht das offenbar nicht. Manche, die hier optimistisch ihre Zelte aufgeschlagen hatten, sind wieder verschwunden. Andere halten zum Glück durch. Obwohl zum Stadtteil echte kulturelle Schwergewichte (s. Seiten 18 und 19) gehören, gestaltet sich der Wandel zäher als einst angenommen. Das hat auch mit den Trends unserer Zeit zu tun. Vor über 30 Jahren konnte man in westdeutschen Städten alte Industriebrachen noch über die Ansiedlung von Subkultur und kreative Gewerke relativ schnell eine Anziehungskraft für gutsituierte Bewohner schaffen. Weil offenbar ein zunehmendes Online-Kauf- und Unterhaltungsverhalten realen Entwicklung entgegenwirken, verlieren solche Umgestaltungsprozesse an Kraft. Dennoch hat manche kreative Initiative wie im „Werk IV“ dafür gesorgt, dass junge Menschen neugierig auf den Stadtteil geworden sind. Das bittere Etikett, das Buckau während der DDR-Epoche besaß, ist längst abgefallen. Aber über 20 Jahre nach dem Sterben der Maschinenfabriken in Buckau bleibt manche Werkshalle noch immer ein Symbol für eine zurückliegende Ära, die noch keine neue Bestimmung gefunden hat. (tw)

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