Für ein historisches Vermächtnis

Entwurf der Elbuferbebauung von 1922, an der sowohl Carl Krayl als auch Bruno Taut mitgearbeitet hatten.

Die Bebauungsidee von Wobau und MWG am Kleinen Stadtmarsch ruft Kritiker auf den Plan. Aber deren Argumente greifen zu kurz und sind widersprüchlich.

Als die beiden größten Magdeburger Wohnungsunternehmen, die Wobau und die MWG, das gemeinsame Bauprojekt am Kleinen Stadtmarsch verkündeten, bildete sich eine kuriose Kritiker-Allianz. Vertreter von Linken, Grünen und AfD lehnen die Idee einer Wohnbebauung ab bzw. stehen ihr zumindest skeptisch gegenüber. Einerseits wird das Argument angeführt, dass der Stadtpark als „grüne Lunge“ darunter leide und andererseits sollten dort keine höherpreisigen Wohnungen entstehen. Insbesondere die AfD fährt kampagnenartige Linie. „Soziale Verantwortung eines kommunalen Wohnungsbauunternehmens sieht anders aus! Nach der derzeitigen Bauplanung profitieren am Ende wieder nur wenige. Alleinerziehende, Arbeitslose oder Rentner mit Altersbezügen auf Grundsicherungsniveau werden niemals in diese Wohnungen einziehen können. Die Bedürfnisse der Magdeburger werden so nur der Gewinnmaximierung geopfert“, verkündet Ronny Kumpf, Vorsitzender des AfD-Kreisverbands. Mit dieser Art der Argumentation widerspricht man sich jedoch im eigenen Anliegen.

Es ist vor allem die städtische Wobau und es sind die Wohnungsgenossenschaften, die Wohnungen für jedermann bereithalten. Richtig ist, dass es im Bereich von Sozialwohnungen – ganz im Gegensatz zu westdeutschen Städten – in Magdeburg keinen Engpass gibt. „Gerade bei den günstigsten Wohnungen haben wir den meisten Leerstand“, sagt Wobau-Geschäftsführer Peter Lackner. Und MWG-Vorstand Thomas Fischbeck zeigt auf, dass die Nachfrage für attraktive Wohnungen in der Innenstadt größer ist als das vorhandene Angebot. Beim gerade entstehenden Domviertel kann nicht jeder Mietwunsch erfüllt werden.

Folgt man der AfD-Logik, dürften allen voran die Akteure des sozialen Wohnungsbaus in profitablen Bereichen am Wohnungsmarkt nicht mitmischen. Doch gerade bei Häusern in guten Lagen mit höheren Standards können Erlöse erzielt werden, die am Ende der Bestandspflege und der Wohnumfeldgestaltung beispielsweise in den Plattensiedlungen zugute kämen. „Gewinnmaximierung“ würde man dann gerade Immobiliengesellschaften überlassen, die eher nicht ihren Sitz in der Landeshauptstadt haben. Steuern und Vermietungserlöse bleiben dann nicht hier. Es ist schon ein besonders glücklicher Umstand, dass vor allem Magdeburger Firmen die Stadtentwicklung und wichtige Bereiche der Innenstadtgestaltung selbst in die Hand nehmen können. Auf diese Weise bleibt das Eigentum in der Hand der Magdeburger bzw. genossenschaftlicher Anteilseigner, also letztlich der Mieter selbst.

Mit dem Bauvorhaben am Kleinen Stadtmarsch würde keinesfalls in die eigentliche Parklandschaft des Stadtparks eingegriffen. Es geht letztlich nur um ein Areal zwischen Messeplatz und dem letzten verbliebenen Gründerzeithaus an der Stadtparkstraße 8. Übrigens hatten bereits Bruno Taut und Carl Krayl Anfang der 1920er Jahre Pläne für eine Wohnbebauung angefertigt. Man könnte mit der Entwicklung des Gebietes schließlich auch ein historisches Vermächtnis erfüllen. Natürlich muss innerhalb der Planungen der aktuelle Baumbestand und Lebensraum von Tieren auf den Bauflächen untersucht und dokumentiert werden. Eingriffe dürften nur erfolgen, wenn dies den Umweltschutzrichtlinien entspricht. Einen angemessenen Hochwasserschutz mit dem Vorhaben zu gewährleisten, sei nicht schwer, meint übrigens der ehemalige Chef des Magdeburger Stadtplanungsamtes, Dr. Eckhard Peters. Eine Tiefgarage könnte die Hochwasserlinie aufnehmen und das Erdgeschoss würde schließlich darüber liegen.

Was von den Gegnern des Vorhabens wahrscheinlich vorsätzlich komplett ausgeblendet wird, ist der Entwicklungsaspekt für eine wachsende Attraktivität der Innenstadt und damit für die Anziehungskraft Magdeburgs insgesamt. Auch das sind letztlich soziale Argumente. Schließlich können Kultur, Sport- und Freizeitangebote als auch sozialer Ausgleich nur erfolgreich sein, wenn es ausreichend Menschen gibt, die das letztlich bezahlen. Die Chancen für ein weiteres Gedeihen Magdeburgs sind derzeit vielleicht so groß wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr. Über die Gestaltungsmöglichkeiten sollte man überall in der Stadt diskutieren, anstatt sie mit verkürzten Argumenten zu verhindern. Thomas Wischnewski

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