Neugierde oder Notwendigkeit?

Das Thema Mobilität bewegt die Gemüter. Es gibt heute quasi gute, umweltschonende bzw. sogenannte klimaneutrale Fahrzeuge oder schlechte, die durch Verbrennung Kohlendioxid und Stickoxide ausstoßen. Das Land der Autoerfinder soll schleunigst umdenken, damit das Weltklima gerettet wird. Nun ist es mit dem Umdenken so eine Sache. Jede Form von Bewegung braucht Energie. Wer schneller als zu Fuß unterwegs sein will, muss mehr Energie aufwenden, als Nahrung bieten kann. Auch ein Fahrrad benötigt zumindest einen Energieaufwand für die Herstellung und Pflege. Je schneller und weiter Menschen durchs Leben jagen, um so mehr Strom und Kraftstoffe müssen zum Einsatz kommen.

Was ist eigentlich der Grund, warum wir uns aufmachen, von A nach B zu reisen. Heute kann dafür jeder Erklärungen anführen. Arbeitswege, Fahrten in der Freizeit, Pflege sozialer Kontakte, wissenschaftlicher oder wirtschaftlicher Austausch, Entdeckungstouren in die Natur oder andere Länder. Die Liste ist erweiterbar. Doch der Anfang aller menschlicher Mobilität war derselbe, den Tiere aufbringen, nämlich den der Nahrungssuche. Mit dem Sesshaftwerden verspürt die Menschheit weiterhin den Drang, ständig irgendwo hin zu wollen. Um Nahrungssuche geht es schon lange nicht mehr. Entdeckertum ist eine Quelle der neuzeitlichen Bewegungen. Vermeintlich ist es an einem anderen Ort stets spannender als in vertrauter Umgebung. Gesucht wird das, was im eigenen Umfeld nicht erreichbar scheint.

Blickt man aufs Reisen, ist man letztlich doch nur mit lauter Gleichgesinnten unterwegs, die mit den selben Träumen und Hoffnungen bewaffnet sind. Alle Zivilisationsentwicklung ist der Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen über Wissen und Erfindungen. Wer weiß schon, wie die Menschheit heute ohne reisende Entdecker leben würde. Und dieser tiefe Kern steckt in uns und lässt uns aufbrechen, um etwas anderes zu finden oder Dinge zu entdecken, über die wir selbst nicht verfügen. Insofern werden wir einer uns innewohnenden Mobilitätssucht nicht entfliehen können, ganz abgesehen von Zwängen, die durch die moderne, arbeitsteilige Lebensweise erzeugt werden.

Offenbar nimmt jedoch die Vorstellung zu, dass wir unter der Proklamation von Begriffen die Mobilitätswirklichkeit im Eiltempo ändern könnten. Elektroautos sind aufgrund ihrer Emissionsfreiheit fortschrittlich und das Zukunftskonzept. Doch Fahrzeuge, die noch seltener bewegt werden können als solche mit Verbrennungsmotoren, weil sie kleinere Bewegungsradien bedienen können und lange Ladezeiten in Anspruch nehmen, stehen künftig noch mehr in der Landschaft herum und sind damit ineffektiv. In der ganzen Umgebung von Stendal existiert eine einzige öffentliche Ladestation. Versucht man beispielsweise elektrische Fahrzeugflotten für ambulante Pflegedienste zu denken, benötigen Pflegekräfte, die von morgens bis abends im Einsatz sind Ersatzautos, um ihre Mobilität zu gewährleisten. Vor allem, wenn man an den ländlichen Raum denkt. Wer wird das bezahlen, bei einem ohnehin steigenden Pflegesatz?

Das Internet könnte ein wundervoller Mobilitätsersatz sein, weil man virtuell an jeden Ort der Erde reisen könnte und mit anderen im Austausch ist. Doch obwohl die Vernetzung seit 20 Jahren vorhanden ist, hat die reale Mobilität nicht abgenommen. Menschen wollen mobil sein. Thomas Wischnewski

Zurück