Verliebt in eine Stadt

Lars Johansen auf dem Domplatz.Der Kabarettist liebt die Stadt, wohnt mitten im Zentrum und engagiert sich vielseitig. Der gebürtige Niedersachse hat in Magdeburg seine Heimat gefunden. Foto: Peter Gercke

Lars Johansen ist ein Grübler und Einmischer. Einer, der seine Meinung sagt und dies auf ganz besondere Weise. Er ist Kabarettist und Meinungsbilder, Theater- und Filmkenner. Einer, der auf vielen Bühnen zuhause ist, und ständig überall gleichzeitig vertreten zu sein scheint, als habe er sich selbst geklont. Er tritt in Magdeburg und im Umland auf, schreibt Kolumnen, ist Moderator, engagiert sich für Soziokultur in Sachsen-Anhalt und beim Offenen Kanal e.V. sowie ARTist e.V. auf dem Moritzhof. Zwischendurch demonstriert er für die Zukunft („fridays for future“) und gegen Neo-Nazis, tritt bei Stadtfesten auf, diskutiert über Kultur im Allgemeinen und die in Magdeburg im Besonderen, füllt bei social media die Kanäle mit seinen Aktivitäten und hat bei all dem immer noch Zeit, sich Filme anzuschauen und darüber zu schreiben. „Der Mann, der überall da ist, wo es wichtig ist“, hat jemand formuliert. „Das größte Kompliment, das ich je bekommen habe“, freut sich Lars Johansen. Früher nannte man einen wie ihn „Hans Dampf in allen Gassen”. Heute ist es ein „Magdebürger“.

Wir treffen uns in einem Café und kommen ins Plaudern. Über Lars und seine Silberhochzeit. „So lange habe ich noch nie in einer Stadt gelebt“, sinnt er. Seine Geburtsstadt Hannover wurde von Magdeburg bereits um zwei Jahre überflügelt. In Gießen blieb er für acht Jahre. Lars Johansen studierte Geschichte und Angewandte Theaterwissenschaften, Dramatheater und Medien. Seine Diplomarbeit hat er zum Thema „Kabarett in Film und Fernsehen“ geschrieben. Kabarett, so sagt er „kann sehr authentisch sein“. Es ist Performance und Spaß. Wie es ursprünglich entstand? Kabarett stammt aus dem Französischen vom Wort Schüssel. Auf einer drehbaren „Schüssel“ konnten Künstler sich präsentieren – von Malerei über Tanz bis zu Gedichten. Ein Wirt erkannte die Chance, damit Gäste als Zuschauer anzulocken. Aus der „Drehbühne“ wurde das französische Cabaret, im Deutschen das „Überbrettl“ und später politisch-satirisches Kabarett. Doch eigentlich hat es keine Grenze.

In Sachsen-Anhalt ist Lars Johansen längst heimisch geworden. Das Umgewöhnen war recht unproblematisch, sagt er, haben beide Bundesländer doch Gemeinsamkeiten. „Auch wir sagen Dreiviertel bei der Uhrzeit“, erklärt er lachend. Vielleicht hat auch das zum Wohlfühlen beigetragen. Er hat sich arrangiert mit der Stadt, sich integriert und ja, er will nicht mehr weg, sagt der Wahl-Magdeburger. Vielleicht ist es auch die Überschaubarkeit in der Stadt. Man kennt sich. Und man kennt Lars Johansen. Er umgibt sich gern mit Menschen, die sich engagieren. Nicht nur kabaretttypisch linksorientiert. Beim politischen Aschermittwoch der CDU beispielsweise wurde sein Auftritt Tradition. Er schaut nicht auf die Parteizugehörigkeit – mit einer Ausnahme. Blauäugigkeit war noch nie sein Ding.        

Es war ein Zufall, der ihn nach Sachsen-Anhalt, nach Magdeburg brachte. Ausschlaggebend allerdings war sein Vater, erzählt Lars Johansen. Dessen Tod brachte den 30-Jährigen zum Nachdenken. Ist er wirklich an dem Platz angekommen, an dem er für sein restliches Leben bleiben will? Der Hannoveraner arbeitete zu dieser Zeit als Verkäufer in einer Buchhandlung. Nächste Option war die Ausbildung zum Filialleiter. Stattdessen kündigte er und erklärte seinem damaligen Chef: „Bis zum Ende des Jahres bin ich weg”. Das war 1993.

Lars Johansen wollte auf die Bühne, hatte bereits als Schüler und Student Erfahrungen damit gemacht, in den letzten Schuljahren als Abiturient sogar einen Theaterkurs geleitet. Später belebte er Theaterseminare, spielte Theater, neben dem Studium. Kann mehr daraus werden?

Die Ära „Kugelblitze“
In der Zeitschrift „Theater heute“ entdeckte er eine Annonce der Herkuleskeule und bewarb sich. Zu spät. Die Stelle war bereits besetzt. Doch die Dresdner gaben die Bewerbung weiter – nach Magdeburg, an die „Kugelblitze“, ein damals sehr erfolgreiches und berühmtes Kabarett. Die Magdeburger riefen an und luden Lars Johansen zum Vorsprechen ein. Nach einem zweiten Vorsprechen hatte er den Job. „Eine wunderbare Erfahrung“ nennt er die Zeit, in der er viel gelernt hat von den Ensemblemitgliedern wie Silvia Löhken oder dem Musikalischen Leiter Mihaly Kovrig, der mit ihm an seiner Stimmbildung arbeitete. Gehörte Gesang doch zu den wesentlichen Teilen des Kabaretts. Eine große Sangesstimme habe er zwar nicht, witzelt der Kabarettist, aber er könne seitdem einigermaßen den Ton halten.      

Die Kugelblitze wurden sein künstlerisches und Magdeburg sein künftiges Zuhause. Mit dem Kabarett erlebte er Hoch- und weniger schöne Zeiten, übernahm in der Spielzeit 2000/01 die Leitung. Das Kabarett wurde erst dem Theater angegliedert, dann „abgewickelt“ und schaffte mit Lars Johansen schließlich den Weg in die berufliche Selbständigkeit. 2015 ging für ihn die Ära „Kugelblitze“ zu Ende, er verabschiedete sich und tritt – wie es sich bereits vorher angekündigt hatte – seitdem solo in Aktion. Als Grund gab er seine vielseitigen Tätigkeiten an, „da hätte die Ensemble-Arbeit irgendwann sehr gelitten.“  

Auf dem Moritzhof zuhause
Lars Johansen ist „Magdebürger“ geworden. Dazu steht er und er hat nicht zufällig diesen Namen gewählt, um kabarettistisch aufzuspießen. Er hat auf dem Moritzhof sein neues Domizil gefunden. Dort engagiert er sich nicht nur im Verein ARTist, dessen Bestehen und Ausbau sowie – natürlich – der Kino-Film-Auswahl. Er lädt zudem allmonatlich zum kabarettistischen „Nachschlag“ ein. Am jeweils letzten Montag gibt er einen satirischen Rückblick auf die jeweils vergangenen vier Wochen. Schwadroniert darüber, was in der Zeitung stand und was nicht. Was passierte in der Region und darüber hinaus? Es analysiert und kommentiert der „Magdebürger“ auf dem Moritzhof ebenso wie im regionalen Sender mdf1.
   
Im Moritzhof hat er sich sein „Wohnzimmerkabarett“ eingerichtet, das alles enthält, was zu einem solchen gehört – Tisch und Lampe und Sitzplätze für die Gäste. Hier präsentiert er seit fast fünf Jahren seine kabarettistischen Solo-Programme unter dem doppeldeutigen (Haupt)Titel „Lars Wars“. Das Publikum ist buntgemischt, viele junge Leute sind dabei.

In diesem Sommer steht wieder ein neues Programm an. Diesmal geht es um „Waldmanns Rache“. Wer ist denn Waldmann? Auch ein Magdeburger? Mitnichten. Waldmann ist eine Abkürzung und steht für „weißer, alter, dicker, mitteleuropäischer Mann“, erklärt Lars Johansen. Und ja – er hätte eigentlich mit zwei „m“ geschrieben werden müssen, doch das sähe etwas seltsam aus. Manchmal muss man Kompromisse machen. Ansonsten jedoch steht Lars Johansen für klare Worte und Meinung. Jetzt besieht er sich den Waldmann und der ist es leid, dass immer alles seine Schuld sein soll. Auch der Klimawandel. Dabei fährt sein SUV doch gar nicht mit Diesel, sondern mit Heizöl. Und wenn er mal die Meinung sagt, ist er auf einmal rechts. Aber nicht mit Waldmann! Oder gerade doch. Wenn alle Opfer sein wollen, dann bleibt nur einer als Täter übrig: Waldmann. Oder? Lars Johansen widmet sich gesellschaftlichen und regionalen Problemen in seinem Programm, nimmt sich sogenannte „Stammtisch-Meinungen“ vor, die heute vor allem im Internet posaunt werden. Schaut hinter die Kulissen und Meinungen, hinter die Waldmänner und ihre Anprangerer. In „Waldmanns Rache“ – ab 31. August im Moritzhof.

Bis zu 150 Auftritte hat er als Kabarettist im Jahr, heißt es. Dabei scheut Lars Johansen den Vergleich nicht. Erst kürzlich nahm er in der Festung Mark am Comedy-Slam-Wettbwerb teil – und gewann. Bei anderen Wettbewerben, ob Kabarett oder Kleinkunst, gehört er zur Jury.

Es hat sich viel verändert  
Magdeburg hat sich verändert in den vergangenen 25 Jahren, resümiert Lars Johansen. Gerade in kultureller Hinsicht. Als er in die Stadt kam, gab es wenig. Mittlerweile ist eine Museums- und Galerienszene entstanden, Messen wie die Kunst/Mitte finden statt, Buckau wurde Kulturort, es gibt Kunstprojekte an „vergessen Orten“, freie Theater und andere Künstler. Ob es reicht, Kulturhauptstadt zu werden? Der Frage folgt zunächst ein leichtes Achselzucken. Die Konkurrenz ist stark. Doch im Vergleich zu anderen Städten sind wir sehr gut aufgestellt, betont er dann. „Es ist viel passiert in Magdeburg.“ Birgit Ahlert

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