Verträumt und direkt

Ich beobachte Dich!
Wenn Du schweigst,
wenn Du sprichst.
Wenn Du lachst, wenn Du weinst,
wenn Du allein zu sein scheinst.
Ich beobachte Dich!

Wer diese Zeilen aus ihrer Entstehungszeit kennt, weiß um ihre Mehrdeutigkeit. Sie gehören zum Lied „Ich beobachte dich“ der Gruppe Jessica von 1984. Eine Liebeserklärung, vielleicht. Oder doch bezogen auf die „allseits Sehenden“ des DDR-Regimes? Jedenfalls wurde er als „Stasisong“ bezeichnet, verboten – und doch bei einem Mega-TV-Auftritt vor 100.000 Zuschauern 1985 in Berlin abgefeiert. Die Band machte nicht nur gute Musik, sie war frech und erfolgreich. Noch 20 Jahre später wurde die „Ich beobachte Dich Story“ in dem Buch „Popsplits“  unter den weltweit 100 witzigsten Songgeschichten genannt. Dieses Lied kennen bis heute auch die, die es nicht kennen. Und das macht einen Hit aus. Obwohl es damals, da verboten, nie ein Nr.-1-Hit war.

Jessica ist lange her, doch Eisbrenner ist nach wie vor aktuell. Wenn man die wichtigsten deutschsprachigen Lyriker und Songpoeten von heute benennen will, kommt man an Tino Eisbrenner nicht vorbei. Er bereist mit seiner Musik die halbe Welt und vermag es, seine Weltsicht in seinen Geschichten und Liedern zu veranschaulichen. Eisbrenner bezieht Stellung und hat Mut zu Visionen. Inzwischen wird sein Name neben denen von Konstantin Wecker, Herbert Grönemeyer, Reinhard Mey oder Heinz Rudolf Kunze genannt. Als Brecht/Weill/Eisler-Interpret machte sich der engagierte Kosmopolit einen Namen. Eisbrenner ist ein musikalischer Grenzgänger. Längst genügt ihm sein anfängliches Ausdrucksmittel Rock/Pop nicht mehr. Heute ist er ebenso Rockpoet und Singer-Song-Writer wie Chansonnier, ein Troubadour im modernsten Sinn des Wortes.

Doch Eisbrenner ist auch Autor. In diesem Jahr erschien sein drittes Buch „Das Lied vom Frieden“. Das polarisiert und sorgte bereits vor seiner Veröffentlichung für Diskussionen. Und genau dazu wurde es geschrieben, sagt er. Er beschreibt darin u.a. seine Erlebnisse und Eindrücke auf den Musik-statt-Krieg-Tourneen, die er seit Ende 2015 durch Deutschland, Österreich und Osteuropa machte.

Wenn er am 16. November in Magdeburg gastiert, wird er sowohl musikalisch zu erleben sein als auch aus seinem Buch lesen. Nach dem Auftritt lädt er zum Gespräch ein. Dann können die Gäste erfahren, ob der anfangs zitierte Text nun so oder so gemeint war, was sich seitdem getan hat und was Tino Eisbrenner heute bewegt - ab 19.00 Uhr im Café Alt Magdeburg, Grüne Zitadelle. Karten unter Tel. (0391)  5 82 31 54.

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