Unverpackt einkaufen bei Frau Erna

Zurück vom Einkaufen im Supermarkt. Alles ist aus den Taschen und Körben ausgepackt. Die Kühlschranktür wird geöffnet – Lebensmittel hinein. Die Dinge, die nicht in den Kühlschrank gehören, finden auch einen Platz. Was nach dem Verstauen des Einkaufs übrig bleibt, ist ein großer Haufen Plastikmüll. Brot wird in Tüten aus Kunststoff verpackt, ebenso wie Weintrauben. Andere Obstsorten findet man häufig auch in Schalen aus Kunststoff. Käse und andere Milchprodukte gibt es ebenfalls in Plastik verpackt zu kaufen. Und natürlich Gurken – einzeln in Kunststoff gehüllt, weil sie sich so wohl zwei, drei Tage länger halten ... Um nur einige Beispiele zu nennen.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes fielen in Deutschland 2014 17,8 Millionen Tonnen Verpackungen an. Den größten Anteil haben Verpakkungen aus Papier, Pappe oder Karton mit 8,1 Millionen Tonnen, gefolgt von Verpackungen aus Kunststoffen (2,9 Millionen Tonnen) und Glas (2,7 Millionen Tonnen). Weltweit werden jährlich etwa 300 Millionen Tonnen Plastik produziert, die früher oder später als Abfall enden. Schätzungen zufolge machen Kunststoffe etwa 90 Prozent des weltweit anfallenden Abfalls aus, der nicht überall recycelt wird, sondern über diverse Wege ins Meer gelangt. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass es pro Jahr weltweit circa 30 Millionen Tonnen Plastikmüll sind, die in den Ozeanen landen.

Beim Praktikum in Hannover hat Sarah Werner viele Kenntnisse gewonnen. Fotos: privat

Seit geraumer Zeit gibt es einen Trend, um den überflüssigen Verpackungsmüllbergen Einhalt zu gebieten – Geschäfte, die sich dem „unverpackt Einkaufen“ verschrieben haben. Etwa 30 gibt esdavon deutschlandweit, 20 weitere sind derzeit in Planung. In solchen Geschäften gibt es neben Obst und Gemüse, Reis und Nudeln auch andere Lebensmittel sowie Hygieneartikel – eben alles, was man im Alltag benötigt. Und das ohne Verpackung. Der Kunde hat entweder die Möglichkeit, eigene Beutel, Becher, Schüsseln oder andere Behälter mitzubringen, um die Waren abzufüllen, oder die Produkte sind in Mehrwegbehältnissen erhältlich.
Auch in Magdeburg gibt es nun Bestrebungen, einen Unverpackt-Laden zu etablieren. Es wäre der erste in Sachsen-Anhalt. Sarah Werner beschäftigt sich schon seit längerem mit diesem Thema. „Man kommt beim Einkaufen einfach nicht daran vorbei und fragt sich, warum gewisse Dinge extra in Plastik verpackt werden müssen, obwohl es der Transport gar nicht erfordert und es, was die Hygiene betrifft, andere Möglichkeiten gibt“, meint die studierte Sozialpädagogin.
Und beim Hinterfragen des Zustands ist es nicht geblieben. Da Sarah Werner schon seit längerem den Traum hegt, sich selbständig zu machen und einen eigenen Laden zu eröffnen, ist sie die nächsten notwendigen Schritte gegangen. „Einige Workshops zu diesem Thema habe ich besucht – darunter einen in Kiel, wo es den ersten verpackungsfreien Laden Deutschlands gibt“, erzählt die gebürtige Dessauerin. „Außerdem habe ich in den Sommerferien ein Praktikum im ‚Loseladen‘ Hannover gemacht und dort viel gelernt.“ Mit anderen Unverpackt-Läden hat sich Sarah Werner zudem vernetzt und bei Facebook eine Gruppe gegründet, um ersten Zugang zu Interessenten zu finden und Kommunikationswege zu schaffen. „Ich weiß, dass man nicht alles für bare Münze nehmen kann, was in den sozialen Netzwerken passiert – ein Like ist schnell geklickt und ebenso schnell wieder vergessen–, aber es ist eine gute Möglichkeit, sich erstmal heranzutasten.“

Der erste Unverpackt-Laden Deutschlands in Kiel zeigt, wie es geht.

Ebenfalls wichtig war die Auseinandersetzung mit den Hygienebestimmungen. „Beim Gesundheitsamt habe ich mich über die Regeln erkundigt und wurde dort gut beraten.“ Eine grundlegende Vorschrift sei, die angebotenen Lebensmittel in verschlossenen Behältern aufzubewahren und dem Kunden die Entnahme des Produktes so zu ermöglichen, dass er mit der zurückbleibenden Ware nicht in Berührung kommt. Das funktioniert beispielsweise mit durchsichtigen Behältern (sogenannte Bulk Bins), aus denen die Produkte mit Lebensmittelschaufeln herausgeholt werden können oder mit Spendern, aus denen die gewünschte Ware in ein darunter stehendes, mitgebrachtes Behältnis fällt.
Derzeit arbeitet Sarah Werner, die nach dem Studium als Koordinatorin für Soziales Management bei einer Wohnungsbaugenossenschaft tätig war, im Waldorfkindergarten. Der Vertag ist jedoch befristet und so wird sie sich bald ausschließlich auf die Umsetzung ihres Projektes konzentrieren können. „Frau Ernas loser LebensMittelPunkt“ soll der Unverpackt-Laden heißen. „Es soll dort Trockenwaren wie Mehl, Nudeln, Hülsenfrüchte, Trockenfrüchte, Süßigkeiten, aber auch Milchprodukte von der Frischetheke, Obst und Gemüse, Reinigungs- und Hygieneartikel sowie Kosmetik zu kaufen geben – eine bunte Mischung aus Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs“, zählt Sarah Werner das geplante Angebot auf. „Je nach Möglichkeit achten wir auch auf Saisonalität und Regionalität.“
Dass Frau Ernas loser LebensMittelPunkt in Stadtfeld beheimatet sein soll, steht ebenfalls schon fest. „Buckau wäre auch sehr reizvoll gewesen, aber nach zahlreichen Rücksprachen mit Menschen, die sich auf diesem Gebiet auskennen, hat ein solcher Laden derzeit in Stadtfeld bessere Chancen.“ Eine konkrete Adresse kann die zukünftige Geschäftsfrau noch nicht nennen. „Zwar habe ich ein Objekt im Auge, aber die Gespräche mit dem Vermieter laufen noch.“ Um dem Projekt finanziell unter die Arme zu greifen, wurde eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Unter der Internetadresse www.frauernas.de haben alle Interessierten die Möglichkeit, sich über den Unverpackt-Laden zu informieren und Sarah Werner – alias Frau Erna – zu unterstützen. Tina Heinz

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