„Das tut schon weh“

Der Präsident des SC Magdeburg, Dirk Roswandowicz. Foto: P. Gercke

Glänzende Medaillen, aber weniger Geld. SCM-Präsident Dirk Roswandowicz resümiert eine sehr erfolgreiche Saison des Clubs und beklagt das Missverhältnis zwischen gestiegenen Leistungen und schwindenden Zuwendungen durch Sponsoren.

Beginnen wir mit dem Positiven: Der SC Magdeburg, so stellten Sie dieser Tage fest, hat 2018 das sportlich beste Ergebnis in diesem Jahrzehnt überhaupt eingefahren. Woran machen Sie das fest?
Dirk Roswandowicz: Vor allem an dem überragenden Auftreten unserer Schwimmer und Kanuten. Florian Wellbrock wurde sensationell Europameister über 1.500 Meter Freistil, Yul Oeltze holte sich im Zweier-Canadier sogar den Weltmeistertitel. Aber auch andere Athleten waren erfolgreich, sodass wir am Ende insgesamt auf zehn Medaillen bei EM und WM gekommen sind. Das hätte man uns noch vor vier, fünf Jahren nicht zugetraut. Unsere Schwimmer waren überdies 2018 bundesweit der beste Verein. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann dies das letzte Mal der Fall war. Da muss man wohl schon bis in DDR-Zeiten zurückgehen. Nicht zu vergessen die Freiwasserschwimmer um Finnia Wunram und Rob Muffels, die schon in ihren jungen Jahren zur Weltspitze gehören. Von ihnen erhoffen wir uns noch einiges.
 
Vergessen wir die Handballer nicht, selbst wenn sie als eigenständige GmbH relativ autark agieren.
Die guten Platzierungen der letzten Jahre und der Aufwind, samt Tabellenstand, sprechen für sich. So erfolgreich waren wir seit fast 20 Jahren nicht mehr. Alles in allem lässt sich festhalten, der SCM insgesamt steht glänzend da – auch im Vergleich zu anderen deutschen Großklubs.
 
Das mit den Erfolgen, das war allerdings, wenn wir uns recht erinnern, nicht immer so.
Nein, weiß Gott nicht. Als ich 2010 das Amt übernahm, waren wir als SCM in ein tiefes Tal gefallen. Ein sportlicher Misserfolg reihte sich an den nächs-ten. Dass wir bei Olympia 2012 in London nur noch eine Bronzemedaille durch den Kanuten Andreas Ihle gewannen, spricht eigentlich für sich. Uns war spätestens danach klar, etwas ändern, für Erfolge neue Strukturen schaffen zu müssen.  Aber wir waren uns ebenso bewusst, dass ein solcher Prozess Zeit erfordern wird. Wir reden da von einem Zeitraum von sieben, acht Jahren. Heute sehen wir, es geht in die richtige Richtung. Denn Erfolge hatten wir auch schon 2017, in diesem Jahr haben wir dies nur noch getoppt.
 
Das klingt gut, aber wie geht man an einen solchen Umwälzungsprozess heran?
Natürlich war uns zum einen von vornherein klar, dass wir verstärkt auf den Nachwuchs setzen müssen. Außerdem haben wir das System unserer finanziellen Förderung umgestellt. Seit drei, vier Jahren unterstützen wir unsere Vertragsathleten, das sind etwa 15 Sportlerinnen und Sportler, verstärkt nach Leis-tung. Es ließe sich auf folgende Faustregeln reduzieren: Wir haben in der Spitze gekappt, dafür erhält jetzt der Nachwuchs etwas mehr; beziehungsweise einige Athleten bekommen jetzt erstmals überhaupt eine finanzielle Zuwendung vom Verein. Diese Herangehensweise hat sich auf jeden Fall bewährt. Zu den internen Veränderungen kommt die große Hilfe durch die Stadt hinzu. Sie hat beispielsweise in der Elbe-Schwimmhalle und mit dem Kanu-Bootshaus die infrastrukturellen Voraussetzungen für erfolgreichen Hochleistungssport geschaffen.
 
Eine andere Voraussetzung für sportliche Meriten sind gute Trainer.
Richtig. Und da sind wir sehr froh, über solche guten Trainer zu verfügen. Sie sind tatsächlich so etwas wie Erfolgsgaranten. Wenn ich da nur daran denke, mit welchem Enthusiasmus beispielsweise Schwimm-coach Bernd Berkhahn an seine Arbeit herangeht. Er ist morgens um sechs der erste in der Halle und abends einer der letzten, der geht. Oder unsere beiden Kanu-Trainer Detlef Hummelt und Eckhard Leue.
 
Umso erstaunlicher ist es, dass die bemerkenswerten Leistungen der Athleten offenbar bei Sponsoren nicht das nötige Echo finden. Es ist sogar von Vertragsaufkündigungen die Rede.
Da muss man sicher differenzieren, viele halten weiter treu zur Stange. Aber generell ist es schon so, dass die Resonanz der Sponsoren in den letzten beiden Jahren in keinem Verhältnis zu den gestiegenen Leis-tungen der Sportler steht. Alles in allem verzeichnen wir einen Einbruch im Bereich der Sponsoreneinnahmen von 20 Prozent. Das tut schon weh und ist deutlich zu spüren.

Wo sehen Sie die wesentlichen Ursachen dafür?
Viele Unternehmen konzentrieren sich offenbar in großem Maße oder sogar nur noch auf Fußball und Handball. So sehr ich mich auch für unsere Handballer freue, die Leidtragenden sind die olympischen Sportarten. Enttäuschend für mich ist dabei, dass unter denen, die ihre Unterstützung  zurückgefahren haben und weiter zurückfahren, gerade auch kommunale Unternehmen zu finden sind. Ich würde mich freuen, wenn wir das Bewusstsein schärfen, dass unsere SCM-Athleten hervorragende Botschafter der Stadt Magdeburg sind – und das weit über die Landesgrenze hinaus.  
 
Die Unterstützung der Unternehmen für den olympischen Sport nimmt ab und das während Deutschlands Wirtschaft boomt. Wie kann man das erklären?
Außer mit der Hinwendung zum Fußball, und in Magdeburg eben dem Handball, eigentlich gar nicht. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, sollten die Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs einmal abebben. Dann gerät am Standort Magdeburg einiges in Gefahr. Nicht nur, dass uns Spitzenathleten verlassen könnten; zumal es heute schon bei den Schwimmern das eine oder andere verlockende Angebot beispielsweise aus England gibt. Der Super-Gau wäre, wenn wir irgendwann einmal über den Weiterbestand ganzer Sportarten in Magdeburg nachdenken müssten.
Aber die Sportler halten dem SCM nach wie vor die Treue, oder?
Ja, sie stehen zum Verein und wollen trotz finanzieller Einbußen und Einschränkungen den Weg weiter mit uns gehen.
 
Von Einschränkungen welcher Art reden wir da?
Beispielsweise davon, dass Verträge der wirtschaftlichen Situation angepasst werden mussten. Alle müssen den Gürtel etwas enger schnallen. Davon, dass wir die Trainingslager, die oft im Ausland stattfinden, nicht mehr in dem Umfang unterstützen können, wie wir das gern täten. Hinzu kommt auf der finanziellen Seite noch etwas: Durch die erfreulichen zahlreichen Erfolge im Jahr 2018 mussten wir den Sportlern auch die ihnen zugesicherten höhere Erfolgsprämien zahlen.
 
Geraten durch Szenarien wie diese die Pläne für Olympia 2020 in Tokio in irgendeiner Weise in Gefahr?
Nein, wir schauen, zumal mit den Erfolgen von 2018 im Rücken, optimistisch nach vorn. Nach den wirklich nicht guten Auftritten in London 2012 und Rio 2016 mit jeweils nur einmal Bronze für den SCM – sieht man einmal vom Gold unserer drei dänischen Handballer in Brasilien ab – hoffen wir nach langer Zeit wieder einmal auf eine Goldmedaille für Magdeburg. Erste Kandidaten dafür sind für mich, die Gesundheit der Sportler einmal vorausgesetzt, Florian Wellbrock und Yul Oeltze. Aber auch im Freiwasserschwimmen sollte vielleicht eine Medaille möglich sein. Fragen: Rudi Bartlitz

Kompakt

Dirk Roswandowicz
Der 46-Jährige Unternehmer ist seit Juni 2010 Präsident des SC Magdeburg e.V., der aus den fünf Abteilungen Schwimmen, Kanu, Rudern, Leichtathletik und Turnen besteht. Die SCM-Handballer, bei denen der Stammverein 100 Prozent der Gesellschafteranteile hält,  sind in einer eigenen Firma ausgegliedert. Über 2.000 Sportler sind im Verein aktiv. Als Aushängeschilder gelten neben den  Bundesliga-Handballern die Schwimmer Franziska Hentke und Florian Wellbrock, der Kanute Yul Oetze  und Diskuswerfer Martin Wierig. Roswandowicz steht als Geschäftsführer der in Magdeburg ansässigen Screenrent Vertriebs- und Service GmbH vor, die der Kaufmann 1995, damals noch als studentisches Unternehmen, gegründet hatte. Die Firma befasst sich vorrangig mit dem Verleih von Video-Wänden für Sportveranstaltungen und Show-Events (z.B. in Las Vegas). Video-Wände von Screenrent standen unter anderem bei den Olympischen Spielen in Rio und bei den Commonwealth-Spielen  in Australien. Werbebanden in neun der 18 Hallen der Handball-Bundesliga sind heute mit LED-Laufbändern aus Magdeburg ausgestattet. (rb)

Geld für den Spitzensport
Seit Jahren klagt der deutsche Sport  – auch im Vergleich zu Ländern wie England und Frankreich – über zu wenig Mittel zur Förderung des Spitzensports. Jahrelang bewegte sich diese Summe zwischen 160 und 170 Millionen Euro. Jetzt sind Verbesserungen da: Seit 2018 werden die im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vertretenen Sportarten mit 193 Millionen Euro vom Staat alimentiert. Erst im Sommer  war beschlossen worden, dass der DOSB noch für dieses Jahr einen bemerkenswerten Aufschlag auf die staatliche Spitzensportförderung von 23,2 Millionen Euro erhält. Die Crux: Bei den Klubs kommt davon nur über Umwegen etwas an. Sieben Millionen und damit der größte Teil des Nachschlages sind nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für Bundesstützpunktleiter und Trainer. 3,5 Millionen fließen in die Verbandsförderung. Ebenso viel geht an die Stiftung Deutsche Sporthilfe mit der Perspektive, deren Etat mittelfristig auf 25 Millionen Euro zu verdoppeln und nicht nur Athleten direkt zu unterstützen, sondern auch eine Altersversorgung für sie einzurichten. 2019 geht ein weiterer warmer Geldregen nieder. Dann wird sich die staatliche Förderung sogar auf 235 Mil­lio­nen Eu­ro erhöhen. Das ist gegenüber dem Olympiajahr 2016 ein Zuwachs von fast 40 Prozent! Der Sport­aus­schuss des Bundestages sprach sich da­für aus, die För­de­rung der Stif­tung Deut­sche Sport­hil­fe auf sieben Mil­lio­nen Eu­ro und die der Sport­ler­ver­tre­tung Ath­le­ten Deutsch­land auf 450.000 Eu­ro zu stei­gern. Im Mittelpunkt der Kritik stand lange die fehlende finanzielle Perspektive für olympische Spitzensportler, die nicht im Militär, bei der Polizei oder beim Zoll angestellt sind. Bisher war es so, dass die Stiftung Deutsche Sporthilfe pro Jahr rund 13 Millionen Euro ausschüttete und Athleten – das betrifft aber nur Sportler mit Eliteförderung – mit maximal 1.100 Euro pro Monat gefördert wurden. (rb)

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