Fromme Wünsche

Coach der SCM-Handballer: Bennet Wiegert. Foto: P. Gercke

Die SCM-Handballer verlieren drei Partien hintereinander und haben in zwei von drei Wettbewerben ihre Chancen nahezu verspielt. Wie konnte das passieren?

Während die am 10. Januar in Berlin beginnende Weltmeisterschaft immer näher rückt und die Vorfreude auf das Championat hierzulande von Tag zu Tag steigt, ist unter Magdeburgs Handballfreunden ziemliche Ernüchterung eingetreten. Verbunden mit einem gehörigen Schrecken. Was ist bloß mit dem SCM los? Eine Frage, die in den Vorweihnachtstagen allerorten – teils bang, teils nüchtern – diskutiert wird. Die Versicherung der Verantwortlichen, dass mit solch einer Entwicklung irgendwann und irgendwie gerechnet werden musste, mag zwar für deren Sachverstand stehen, hilft zunächst aber nur bedingt weiter.
 
Bestandsaufnahme
Zunächst die Fakten. Was war das im Spätsommer für eine Startphase! Auftaktsieg auswärts in Melsungen, den THW Kiel im Giganten-Duell zeitweise schwindelig gespielt, den ungeschlagenen Meisterschaftsfavoriten SG Flensburg in dessen Halle aus dem Pokalwettbewerb befördert, in den anderen Partien mit Torjäger Matthias Musche an der Spitze die Offensiv-Maschine so richtig ins Rotieren gebracht. All das hat man sich binnen elf Tagen selbst kaputtgemacht.
 
In weniger als zwei Wochen hat sich der SCM de facto aus zwei von drei Wettbewerben katapultiert; selbst wenn mit acht Zählern Rückstand auf die Flensburger in der Meisterschaft noch nicht alle Messen gelesen sind. Allein der Trend ist derzeit alles andere denn der Freund der Grün-Roten. Ganz schwer wiegt das Aus im EHF-Cup. Da ist nichts mehr zu löten.
 
Analyse
Gescheitert ist der SCM, bei allem Respekt für den FC Porto, im Europacup an einer Mannschaft aus einem Handball-Entwicklungsland. Bereits im Hinspiel deutete sich trotz des 26:23-Erfolges an, welche Schwierigkeit die Wiegert-Sieben mit dem teils unorthodoxen Handball der Portugiesen hatte. Konsequenzen gezogen wurden daraus offensichtlich nicht. Nur so lässt sich am Ende die mehr als enttäuschende Vorstellung (27:34) am Atlantik erklären. Gerade im EHF-Cup hatte der Trainer regelrecht darauf gebrannt, die Scharte des Ausscheidens im Final-Four-Turnier im Mai vor eigenem Publikum unbedingt auszumerzen. Resultat: Man scheiterte bereits in der Ausscheidungsrunde.
 
Wie weit der Abstand zu einem deutschen Top-Team ist, wenn es einmal nicht läuft, bekamen die Magdeburger am Nikolaustag dann im Spitzenspiel bei den Rhein-Neckar Löwen zu spüren. Respektive in die Schuhe geschoben. Eine desolate erste Hälfte (8:18), wie man sie unter Wiegert seit dessen Amtsantritt vor fast genau drei Jahren wohl noch nicht gesehen hatte. Schon in der Auszeit tobte der Coach: „Unser Problem ist der Scheißangriff.“  In 15 Minuten hatten seine Jungs nur drei Tore zustande gebracht. „Mir fehlen zur ersten Hälfte die Worte", sagte Magdeburgs neunfacher Torschütze Michael Damgaard. „Die Unsicherheit der letzten Tage nach den Niederlagen gegen Porto und Göppingen war vielleicht zu groß.“ Neutrale Beobachter sagen: Nicht vielleicht, sie war definitiv zu groß. Das Aus hatte unübersehbare Spuren hinterlassen.
 
Das Endergebnis von 28:22 täuscht über einen zeitweiligen Klassenunterschied hinweg. „Am Ende war das nur noch Ergebniskosmetik für uns“, so Wiegert. „Wir sind zu keinem Zeitpunkt ins Spiel gekommen. Wir sind hierhergekommen, um zu gewinnen. Das war heute zu keinem Zeitpunkt drin, weil wir über die gesamte Spielzeit nicht zu unserem Tempo gefunden haben." Das sah auch Ex-SCM-Star Stefan Kretzschmar als Sky-TV-Kommentator so. „Dem SCM fehlen augenblicklich Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Von der Meisterschaft sollte man erst mal nicht mehr reden.“
 
Aussichten
Die Sterne stehen augenblicklich nicht gut für Grün-Rot. Natürlich, man kann mit sechs (oder sogar noch mehr) Toren bei den Löwen verlieren. Und auch ein Heimausrutscher ist mal drin. Wenn man jedoch mit der Meisterschaft liebäugelt, dann sollte man sich möglichst nur einen pro Saison leis-ten – und dann bitte schön gegen ein Top-Team, nicht gegen irgendjemand aus dem Mittelfeld, wie eben Göppingen. Wenn dann noch Verletzungen und teils längere Ausfälle von Schlüsselspielern wie Christian O’Sullivan, Piotr Chrapkowski und Marko Bezjak hinzukommen, sind die Probleme da. Dann ist das schnelle Konterspiel, für das der SCM in der gesamten Liga gefürchtet wird, einfach nicht mehr möglich.
 
Ein zweiter Punkt:   Auf den ersten acht, vielleicht neun Kader-Positionen kann der SCM in Deutschland sicher mithalten. Aber dahinter beginnen die Fragezeichen. Und wenn die Akteure der zweiten Reihe – die es laut Wiegert ja eigentlich so gar nicht geben sollte – ins Feuer geworfen werden, zeigt sich, an welchen Stellen es noch klemmt. Die Hoffnung, das Team sei auf allen Positionen doppelt gut besetzt, trifft eben nicht zu. Mit dieser Annahme  haben die genannten drei Partien aufgeräumt.
 
Was jetzt nur hilft, ist – so banal es klingen mag – harte Arbeit. „Man muss wieder an die Basics erinnern“, postuliert Wiegert. „Was drei Monate gut war, kann nicht in einer Woche weg sein.“ Dass der Coach Recht behalten möge, dürfte dieser Tage in Magdeburg ein vielgehegter Weihnachtswunsch sein. Rudi Bartlitz

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