„Ich weiß genau, was ich will“

Box-Nachwuchshoffnung Alexander Lehmann vom SV Lindenweiler. Foto: Peter Gercke

Alexander Lehmann vom SV Lindenweiler gehört zu den hoffnungsvollsten Nachwuchsboxern in Sachsen-Anhalt. Er ist ein Junge mit klaren Zielen. Seinen sportlichen Weg hat der 14-Jährige schon klar vorgezeichnet.

Grazil, schlank, ein fein geschnittenesGesicht ohne den geringsten Kratzer – der Junge, der da im Olven-stedter Box-Gym auf einer spartani-schen Holzbank hockt, hat alles, nur nicht das Aussehen eines Faustkämpfers. Als Turner könnte er glatt durchgehen, vielleicht auch als Fußballer oder Tennisspieler. Und doch, dieser 14-Jährige vom SV Lindenweiler gehört zum Hoffnungsvollsten, was Sachsen-Anhalts Nachwuchsboxer derzeit zu bieten haben.

Spätestens in den ersten Oktobertagen des vergangenen Jahres machte Alexander Lehmann von sich reden, als er in Wismar in seiner Altersklasse das renommierte und sogar international besetzte Turnier „Olympische Hoffnungen“ gewann. Und nicht nur das: Er trat die Heimreise von der Ostsee mit einer weiteren Auszeichnung an, wurde als „bester Techniker“ der gesamten Veranstaltung geehrt.

Dabei trainiert Alexander Lehmann erst seit April beim SV Lindenweiler, wo sich die Amateure die Sporthalle mit den Profis des Magdeburger SES-Teams teilen. „Er ist ein ganz sensibler Bursche“, erzählt Trainer Bastian Kirchner. „In seinem früheren Verein ist er nicht klargekommen, konnte dort seine Leistung nicht abrufen. Seit er bei uns mitmacht, ist er regelrecht aufgeblüht. Er ist ein Riesentalent.“ Das mit dem Riesentalent überhört Alexander ganz geflissentlich, gibt ansonsten seinem Übungsleiter recht: „Es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht, es gab Streit. Das ist hier ganz anders.“

Nun will Alexander, der vor vier Jahren erstmals in den Ring kletterte und in dessen Startbuch bis heute 27 Kämpfe notiert sind („Am Anfang habe ich viel verloren“), so richtig durchstarten. „Der Sieg in Wismar war schon ein Ding und mein bisher größter Erfolg, aber ich bin auch mit dem festen Ziel dorthin gefahren, am Ende zu gewinnen“, sagt er. Die Sätze kommen bescheiden, aber mit einer für einen 14-Jährigen erstaunlichen Zielstrebigkeit. Je länger man ihm zuhört, desto deutlicher wird: Hier ist einer, der genau weiß, wohin ihn sein sportlicher Weg einmal führen soll. „2017, das geht gar nicht anders, ist es mein klares Ziel, deutscher Meister zu werden. 2016 war ich Dritter.“ Doch die Gedanken des Jungen von der Ernst-Wille-Sekundarschule in Ottersleben gehen noch weiter: „Ich weiß genau, was ich im Sport will. Später möchte ich auf jeden Fall einmal bei Olympischen Spielen starten und Box-Profi werden.“ Box-Profi, so wie einst sein Vater. Der legte sicher die Wurzeln für Alexanders sportliche Laufbahn. Aber seine heutigen Stärken im Seilgeviert, nämlich eine brillante Technik, „nein, die habe ich nicht von ihm, glaube ich zumindest“, meint der Sohn; halb selbstbewusst, halb zweifelnd. Mehr will er zu diesem Thema nicht sagen. „An Alexander besticht nicht nur seine sehr gute Technik, sondern auch sein hohes taktisches Verständnis“, pflichten die Trainer Bastian Kirchner und Andrej Sviridov nahezu unisono bei. Auch seine Schwächen hat der Junge vom SV Lindenweiler längst analysiert: „Mir fehlt es noch an absoluter Schlagstärke. Probleme bekomme ich manchmal noch, wenn mein Gegner größer ist als ich oder in einer anderen Auslage boxt.“ Sein weiterer Weg ist genau vorgezeichnet. Als ersten Schritt will er nach dem Schulabschluss Sportsoldat bei der Bundeswehr werden: „Ich hab’ mich schon genau erkundigt, da muss ich dann in die Sportfördergruppe nach Frankfurt/Oder beziehungsweise nach Heidelberg.“

Bei der Frage nach seinen Vorbildern im Ring denkt Alexander ungewöhnlich lange nach, um dann, leiser als zuvor zu antworten: „Gennadi Golovkin“. Warum ausgerechnet der russischeWeltmeister im Mittelgewicht, einer der besten Fighter der Gegenwart überhaupt? Wegen seiner Hammerschläge? Alexander nickt nur. Und von den SES-Leuten, mit denen er oft Faust an Faust im selben Gym trainiert? Die Antwort verblüfft schon: „Wenn ich trainiere, dann richtig. Dann habe ich gar keine Zeit, zu denen so richtig hinzuschauen.“ Aber dann lässt er sich doch entlocken: Nicht zu Europameister Robert Stieglitz oder Junioren-Weltmeister Tom Schwarz schaut er auf. Nein, Halbschwergewichtler Adam Deines hat es ihm angetan. Begründung, wie gehabt: „Wegen seiner Schlagstärke.“

Vier bis fünf Mal trainiert Alexander, der noch zwei jüngere Geschwister hat, derzeit pro Woche. Hinzu kommen am Wochenende oft Fahrten zu Wettkämpfen. Neben der Schule („Ich habe einen Notendurchschnitt von etwa 2,5. Meine Lieblingsfächer sind Kunst und Biologie“) bleibt da kaum Zeit für ein Hobby. „Vielleicht noch ein bisschen Fußball, ansonsten gibt es für mich nur Boxen“, sagt er gerade heraus. Und das bei Boxern berühmte Gewichtsproblem, beschäftigt ihn das mit seinen augenblicklich 40 Kilo auch schon? „Nein, ich esse eigentlich alles gern, vor allem viel Fleisch. Das einzige, was ich absolut nicht mag, sind Tomaten und Kürbisse.“ Nun ja, das sollte einer erfolgreichen Laufbahn wohl kaum im Wege stehen.


Kompakt

Der SV Lindenweiler hat sich in den vergangenen drei, vier Jahren zu einem der wichtigsten Box-Nachwuchszentren in Sachsen-Anhalt entwickelt. 45 Athleten (rund ein Drittel von ihnen steht im Wettkampf-Modus) zählt die Abteilung mittlerweile. Zu den diesjährigen Landesmeisterschaften in Halle/Bitterfeld entsandte der SVL 14 Akteure. Sie kamen mit dreimal Gold, viermal Silber und viermal Bronze zurück. Bemerkenswert: Das Magdeburger Profi-Box-Team SES stellt sein Gym seit einigen Jahren den Jugendlichen aus der Nachbarschaft in Lindenweiler zur Verfügung. Seither trainieren Berufsboxer und junge Amateure im Plattenbauviertel nebeneinander. Ein in dieser Form in Deutschland bisher einzigartiges Projekt. Abteilungsleiter Axel Schimschar sagt: „Unser Motto `Trainieren wie die Profis` spricht viele an.“

Von Rudi Bartlitz

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