„Irgendwann gelingt es …“

Robert Weber, der den SCM im Sommer verlässt, gelang es mit dem Team nicht, im Abschiedsjahr noch einen Titel zu gewinnen. Foto: Peter Gercke

SCM-Handballer bleiben 2019 ohne Titel. Dennoch sagt Geschäftsführer Marc Schmedt: „Wir haben uns in den Top fünf festgesetzt.“ Der Verein erwägt erneute Bewerbung um Final-Four-Turnier des EHF-Cups.

In der Handball-Bundesliga sind zwar noch vier Spieltage zu absolvieren, für den SC Magdeburg scheinen allerdings die wichtigsten Messen gelesen. Das von der Mannschaft selbst gestellte Ziel, in dieser Saison einen Titel an die Elbe zu holen, wurde verfehlt; wenn auch knapp – wie im DHB-Pokal, wo man erst im Finale am THW Kiel scheiterte. Dennoch liebäugeln die Schützlinge von Cheftrainer Bennet Wiegert in der Meisterschaft noch mit Rang drei. Über die derzeitige Situation bei den Grün-Roten und aktuelle Probleme des deutschen Handballs sprach Magdeburg Kompakt mit Geschäftsführer Marc Schmedt.
 
Viele sagen, die Luft sei raus beim SCM. Würden Sie dem zustimmen?
Marc Schmedt: Nein, absolut nicht. Wie gesagt, immerhin ist für uns noch der dritte Platz drin. Das wäre die beste Platzierung in der Meisterschaft seit über einem Dutzend Jahren (2005 belegte der SCM zuletzt in der Endabrechnung Rang drei, d. Red). 2017 waren wir im Titelrennen Fünfter, letztes Jahres Vierter. Da wäre eine weitere Verbesserung durchaus ein lohnendes Ziel. Es wäre auch ein Zeichen einer Entwicklung. Zudem sind wir es unserem Publikum schuldig, nicht nachzulassen, bis zuletzt alles in die Waagschale zu werfen. Wer beim SCM ein Ticket erwirbt, sollte auch eine engagierte Leistung erwarten dürfen.
 
Ein Ziel, für das sich der Verein, außer der Ehre, Dritter geworden zu sein und sich damit auch sichtbar unter den deutschen Top-Teams platziert zu haben, aber nicht viel kaufen kann. Denn die Qualifikation für den Europacup ist dem SCM selbst durch einen vierten Rang nicht mehr zu nehmen.
Es ist richtig, einen zusätzlichen materiellen Anreiz, wie im Fußball etwa durch die gestaffelten TV-Gelder, gibt es in der Handball-Bundesliga nicht. Und das ist meiner Meinung nach auch gut so, dass diese Gelder gleichmäßig verteilt werden. Das ist ein extrem wichtiger Punkt im Handball. Was den Startplatz im EHF-Cup anbetrifft: Ja, da sind wir auch in der nächsten Saison international dabei.
 
Der SCM galt vielen Experten lange Zeit als ein ernster Mitbewerber um die deutsche Meisterschaft. Wo sehen Sie Ihr Team im Mai 2019?
Es ist eindeutig, dass wir uns unter den Top Fünf in der Liga festgesetzt haben. Selbst wenn wir am Ende „nur“ Vierter werden, aber im Pokalfinale gestanden haben, können wir insgesamt von einer guten Saison reden. Natürlich ist es schade, dass der ganz große Erfolg nicht geglückt ist. Es gab zwei Phasen, in denen wir unsere Schwierigkeiten hatten. Das war zum einen das nach wie vor enttäuschende Ausscheiden im EHF-Cup gegen Porto. Wobei man aber sagen muss, das war keine Laufkundschaft, sie stehen jetzt im Halbfinale. Zum anderen hat man gesehen, dass wir mit unserem Kader in der Breite mit den Spitzenteams wie Kiel, Flensburg oder den Rhein-Neckar Löwen qualitativ noch nicht mithalten können.
 
Aber Kiel beispielsweise wurde doch zweimal in der Meisterschaft bezwungen, und Flensburg zumindest einmal.
Klar können wir solche Mannschaften auch schlagen. Diese Clubs sind aber nach Niederlagen – auch aufgrund der Breite im Kader – sofort wieder da. Das gelingt uns noch nicht immer. Wir haben dann, einschließlich des Pokalfinals, dreimal verloren. Verletzungen von zwei, drei wichtigen Spielern können wir noch nicht wegstecken. Wenn du eine absolute Top-Mannschaft sein willst, musst du das Niveau jede Woche abrufen können. Das ist eine klare Erkenntnis der Saison. Dennoch, wir haben zweifellos einen Schritt nach vorn gemacht.
 
Der Abstand zu den Top drei der Liga, wurde der in den zurückliegenden zehn Monaten weiter verringert?
Er ist natürlich weiterhin gegeben, das muss man schon anerkennen. Ich hoffe jedoch, dass wir es in der nächsten Spielzeit durch die zu erwartenden personellen Veränderungen schaffen, diese Lücke weiter ein Stück zu schließen. Es ist wie mit dem berühmten Rütteln an den Ketten: Man versucht es einmal, durch die Tür zu kommen, schafft es nicht. Man versucht es ein zweites Mal, scheitert wieder. Aber irgendwann gelingt es …
 
Oder fehlt, wie manche sagen, dem SCM einfach der Killer-Instinkt? Ist da was dran?
Ich würde es einmal so formulieren: Wir sind noch nicht so weit, dann, wenn wir die Favoritenrolle haben, dieser Rolle immer gerecht zu werden. Das war vor zwei Jahren beim EHF-Final-Four in Göppingen so, das war letztes Jahr beim Final Four in Magdeburg so. Dieser Druck, den wir uns dann selber machen, ist schon erheblich. Das „Mia san mia“-Gefühl von Bayern München ist ein gutes Beispiel. Die gewinnen eben noch ein Spiel in der 93. Minute. Das ist eine Entwicklung, die wir noch vor uns haben, was aber auch in München erst über Jahrzehnte gewachsen ist.

Da bauen Sie sicher auch auf die sechs Neuzugänge, die im Juli hinzukommen?
Ich denke, wir sind dann, siehe oben, insgesamt breiter aufgestellt. Wir haben dann, beispielweise speziell durch Preuss im Angriff und Schmidt im De-ckungsverbund mehrere Varianten, Musa am Kreis und Chrapkowski in der Abwehr zu entlasten. Wenn wir im nächsten Jahr den Anspruch haben, in drei Wettbewerben zu spielen, werden wir diese Breite brauchen.

SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt.

Ist es aber nicht ein Luxus, gerade auf den Außenpositionen mit Matthias Musche, Tim Hornke, Lukas Mertens und Daniel Pettersson den vielleicht bestbesetzten Verbund der Liga zu haben?
Ja klar, sind wir da sehr gut aufgestellt. Aber auch die Löwen, mit dem Rückkehrer Uwe Gensheimer, und Kiel sind da stark besetzt. Nochmals, wir werden diese Breite brauchen.
 
Letzte Personalie: Albin Lagergren. Nach der Bekanntgabe seines Wechsels im Sommer 2020 nach Mannheim ist jetzt sichergestellt, dass der Schwede dem SCM noch eine volle Saison zur Verfügung steht?
Er hat uns klar und deutlich zugesichert, dass er seinen Vertrag in Magdeburg erfüllen wird. Anfragen oder gar ein Angebot der Löwen zwecks eines früheren Wechsels liegen uns definitiv nicht vor. Diese Bemühungen gab es intensiv vor seinem Wechsel zum SCM, welche wir aber konsequent abgelehnt haben. Zudem haben wir weder Interesse noch Notwendigkeiten, ihn nach dieser Saison bereits abzugeben.
 
Im Fall Lagergren wird spekuliert, dass er, bevor er in Magdeburg überhaupt einen Ball geworfen hatte, bereits einen Nachfolgevertrag in Mannheim unterzeichnet hatte. Der SCM mit seinem Bemühen um eine Kontraktverlängerung also von vornherein keine Chance besaß. Haben wir es hier mit einer Erscheinung zu tun, die im heutigen Handball um sich greift, salonfähig wird?
Nur Albin, sein Berater und die Rhein-Neckar-Löwen wissen, wann er dort unterschrieben hat. Damit ist dieses Thema meines Erachtens auch erledigt. Langfristige Planungen werden im Spitzenhandball immer wichtiger. Zumal es sich hier um einen sehr eng begrenzten Markt an Spielern handelt. Spieler, die nicht beliebig austauschbar sind. Wenn ein Verein sich auf einen Akteur fixiert hat, dann muss es am Ende auch stimmen. Deshalb diese langfristige Ausrichtung, diese sogenannten Anschlussverträge. Derartige Kontrakte gibt es übrigens schon einige Zeit, nur sind sie in der Öffentlichkeit nicht so kommuniziert worden wie jetzt. Ich glaube aber, dass die Spieler dabei nicht immer gut beraten sind.
 
Nun war zu lesen, der SCM sei auf der Suche nach einem Lagergren-Nachfolger auf den derzeit im dänischen Aalborg spielenden Isländer Omar Ingi Magnusson gestoßen. Können Sie das bestätigen?
Da halte ich es wie mein Kollege Bennet Wiegert, wir veröffentlichen dann Personalien, wenn Sie final feststehen und alle Beteiligten einen Wechsel auch veröffentlichen wollen.
 
Würden Sie auch nicht bestimmte Informationen dementieren, dass der SCM daran interessiert ist, sich im nächsten Jahr noch einmal um das Finalturnier des EHF-Cups zu bewerben?
Ich kann zumindest bestätigen, dass wir derzeit prüfen, nach 2018 noch einmal unseren Hut für eine Bewerbung in den Ring zu werfen. Zumal es möglicherweise 2020 das letzte Mal der Fall ist, dass einer der Teilnehmer des Pokalwettbewerbs die Chance erhält, als Gastgeber des Final Four zu agieren. Für uns ist das nach der damaligen schmerzlichen Halbfinal-Niederlage vor eigenem Publikum immer noch so etwas wie eine Unvollendete.
 
Wieso wäre das die letzte Chance?
Das hängt mit der ab 2021 greifenden Reform im europäischen Clubhandball zusammen. Danach könnte auch das Endrunden-Turnier des EHF-Cups (heißt dann European Handball League) jährlich an einem neutralen Ort stattfinden.
 
Weil wir gerade bei Turnieren sind. Die Weltmeis-terschaft in Deutschland und Dänemark ist jetzt 100 Tage Vergangenheit. Im Januar gab es volle Hallen, begeisterte Zuschauer und Handball als Gesprächsthema auch auf der Arbeit. Die Macher hatten seinerzeit versprochen, diesem Geist – anders als nach der WM 2007 in Deutschland – Nachhaltigkeit zu verschaffen. Wie sieht es da aus Magdeburger Sicht aus?
Zunächst: Unsere Stadt und die Region hatten eigentlich noch nie Schwierigkeiten damit, für eine begeisterungsfähige Handball-Kulisse zu sorgen. Hier lebt der Handball. Zumal in diese Zeit nach der WM auch unsere Serie von acht aufeinanderfolgenden Siegen fällt, unter anderem gegen Kiel und Flensburg. Aber auch darüber hinaus sind die ersten Erfahrungen nach der WM bei uns positiv. Das Interesse am Handball ist generell nachhaltig höher geworden. Das merken wir unter anderem an den  TV-Quoten, bei denen der SCM ohnehin führend ist. Dabei geht es vor allem um die hohen Reichweiten, die wir jetzt durch die öffentlich-rechtlichen Sender erzielen. Wir registrieren das wachsende Interesse am Handball ebenso an Medien-Nachfragen für unsere Spieler, allen voran natürlich National-Linksaußen Matthias Musche.
 
Nun ist zu hören, dass die Namensrechte der Bundesliga, die derzeit die DKB-Bank innehat, demnächst neu vergeben werden. Was bedeutet das für den Handball hierzulande?
Dieses Thema wird in der Leitung der Bundesliga behandelt. Generell muss es darum gehen, in die Strukturen im Handball zu investieren. Es macht wenig Sinn, dem einzelnen Verein vielleicht 30.000 oder 40.000 Euro mehr zu geben. Sondern dieses Geld muss zielgerichtet in die Zukunft der Sportart investiert werden.
 
Wie zum Beispiel in ein neues System der Live-Spieldatenerfassung (Kinexon), das den Handball für die Zuschauer noch attraktiver machen soll.
Richtig. Selbst wenn wir da noch am Anfang stehen und noch einige Dinge geklärt werden müssen, das ist genau die richtige Richtung, den Handball für die Zuschauer am TV und in der Halle künftig noch anziehender zu gestalten. Fragen: Rudi Bartlitz

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