Der falsche Bräutigam

Gerechtigkeit ist ein Wort, das in aller Munde geführt wird. Allen voran der SPD-Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz, weil die Kluft zwischen Arm und Reich größer würde. Im Bundesfinanzministerium haben Wirtschaftsexperten jetzt einen ganz anderen Grund entdeckt, warum die einen fortwährend benachteiligt bleiben und die anderen am Wohlstand genesen. Ihr Fazit: Die Deutschen heiraten falsch. Sie haben richtig gelesen. Jeder bereits Geschiedene würde den Satz natürlich unterschreiben. Alleinerziehende Frauen beklagen höhere Lasten wegen der zu versorgenden Kinder und unterhaltspflichtige Männer kommen häufig im Einkommen nicht mehr über den gesetzlichen Selbstbehalt hinaus. Die Ökonomen meinen jedoch etwas ganz anderes: Ihrer Expertise nach hat sich in Deutschland der „Heiratsmarkt“ im Laufe der Jahrzehnte gravierend verändert. Gab es früher die sprichwörtliche Verbindung zwischen Arzt und Krankenschwester, so heiratet man heutzutage im Regelfall innerhalb der gleichen sozialen Schicht. Akademiker wählen Akademikerinnen, während Schulabbrecher meist mit Frauen mit niedrigerer oder ohne Berufsausbildung zusammenleben. Gleich und gleich gesellt sich gern. Ärmere Menschen blieben demnach genau unter sich wie reiche. Und dies war laut Armutsbericht früher anders. Man könnte spitzfindigerweise annehmen, dass dies sogar eine Folge der Gleichberechtigungsbewegung sei. Seitdem Frauen aus der Hausfrauen- und Mutterrolle entwachsen sind und selbst verdienen, schnappen die besserverdienenden Frauen den Geschlechtsgenossinnen mit weniger Einkommen die männlichen Gutverdiener weg. Quotenregelungen gelten mittlerweile als beliebtes Steuerungsmittel. Vielleicht denkt man bald darüber nach, Ehegatten nach Einkommensarten zu ordnen. Ärztinnen bekommen dann Pfleger und Gebäudereiniger verschrieben und der liebe Doktor kriegt wieder seine Krankenschwester verordnet. So müsste man jedenfalls einen Gerechtigkeitsansatz denken, wollte man Schlussfolgerungen aus der Analyse der Gutachter im Finanzministerium Glauben schenken. Es ist sogar noch schlimmer: Wer hierzulande in einer einkommensschwachen Familie aufwächst, hat deutlich geringere Chancen, später einen gut bezahlten Job zu ergattern, als die Sprösslinge der Mittel- oder Oberschicht. Geringe Einkommensmobilität verhindert in Deutschland eine Reduktion der Einkommensungleichheit. Also gut aufgepasst bei der Partnerwahl. Es bewahrheitet sich die alte Redewendung: Für arme Eltern kann man nichts, für arme Schwiegereltern schon. Und wer keinen solventen Partner abbekommt, heiratet aus Liebe und ist dann wenigstens reich an Gefühlen. Thomas Wischnewski

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