Die Odyssee des Pariser Tores

Wer nach Haldensleben-Hundisburg zum Besuch der Schlossanlage kommt, staunt nicht schlecht, dass dort ein sehenswertes Gittertor den östlichen Abschluss des Neobarockgartens bildet. Stammt es aus dem Barock oder kam es später dorthin? Sah es immer so aus oder wurde es später verändert?

Seit August 1993 zeigt sich das „Pariser Tor“, so wie man es heute sehen kann. Laut Harald Blanke von der Schloss- und Gartenverwaltung Hundisburg ist das Tor erstmalig in der Haupt- und Jahresrechnung des Schlosses für das Haushaltsjahr 1738/39 belegt. Danach wurde einem gewissen Meister Frohwinckel In Magdeburg „eine Rechnung bezahlet (die der   Meister sich) an dem Reisewagen und Eisernem Thor verdienet (hatte)“. In der Tat kam es von 1734 bis 1738 unter dem damaligen Hundisburger Besitzer Friedrich Anton Ulrich von Alvensleben (1703 - 1741) zu einer Neugestaltung des Abschlusses des Unteren Lustgartens. Im Zeitraum 1734 / 35 nahm man die Arbeiten auf und das „Pariser Tor“ wurde vermutlich 1736/37 im Scheitelpunkt der barocken Längsachse des Lustgartens eingesetzt. Der große Gartenplan von 1740 zeigt das Tor bereits und hier halten zwei Löwen das Wappen der Familie von Alvensleben über dem Gittertor. Es ist jedoch nicht belegt, ob es wirklich schon so aussah. Die früheste Beschreibung stammt von Gottfried Leberecht Zarnack von 1776: „Ein prächtiges eisernes in Paris verfertigtes Garten-Thor, an dem man das vergoldete Familien Wappen erblicket. Der Major Anton Friedrich Ulrich hat solches fertigen laßen, und man kann dadurch in das freie Feld sehen.“ Dieses Tor wird auch im Stich von B. Glasbach 1782 in der Sammlung von Johann Bernoulli erwähnt: „24 Ein grosser eiserner und zum Theil vergoldeter Thorweg“. Nach einer Publikation von Detlef Karg von 1983 wird es 1791 wie folgt beschrieben: „Acht Eingänge ermöglichten den Zugang, von denen der östlichste in dem exedraartigen Abschluss des Gartens der prächtigste war. Er hatte „ein überaus künstliches eisernes Thorweg…, welches in Paris gegossen“ wurde und mit dem Wappen, „so aus Eisen gegossen, wie es gegenüber aus Stein gehauen am Schlosse stehet, geziert war.“

Im Giebelfeld des Mittelrisalits des Barockschlosses ist seit 1696 das vom Bildhauer Michael Hellwig gefertigte Allianzwappen zu sehen und nach Marie-Luise Harksen „halten Genien das Allianzwappen des Erbauers Johann Friedrich von Alvensleben und seiner Gemahlin Adelheid Agnes von der Schulenburg. Zum weiteren Schicksal des Tores schrieb Harald Blanke 1994: „1963 wurde das Tor zur Sicherung komplett durch die Baufirma Walter Müller ausgebaut und in Haldensleben bei Tischlermeister Lippmann eingelagert. 1967 kam es dann zur Restaurierung zum Kunstschmied Wilfried Heider nach Magdeburg. Als ab 1968 keinerlei Geldmittel mehr zur Verfügung standen, wurde das Tor 1969 unverändert wieder abtransportiert. Da die Gutsleitung in Hundisburg keinerlei Interesse an der Rückkehr des Tores hatte, gelangte es auf Veranlassung des damaligen Kreisrates Dr. Karl Schulze nach Flechtingen. 1974 ließ man das Tor durch den Schmiedemeister Richard Kusian in Uthmöden instand setzen und fehlende Teile, soweit dies möglich war, ergänzen. Während dieser Odyssee büßte das Tor den bis 1963 noch nachweisbaren Wappenrahmen seiner Bekrönung samt der ihn stützenden Ranken ein und erhielt danach im wesentlichen seinen derzeitigen Aufbau. 1974 plante der Rat des Kreises die Aufstellung des restaurierten Tores samt der in Hundisburg verbliebenen Pylonen auf dem Flechtinger Schloss. Das Institut für Denkmalpflege in Halle plädierte hingegen für eine Rückführung nach Hundisburg, woraus sich 1976 der Einbau des Tores ohne die Pylonen in Flechtingen ergab. Begleitet wurde das Tor über diesen Zeitraum durch August Niesel, der als Architekt auch schon die unvollendete Rekonstruktion des Schlosses in Hundisburg von 1963 bis 1967 projektiert und betreut hatte.“

Vermutlich war die zweitweilige Aufbewahrung in Flechtingen die Rettung dieses Tores. Schließlich wurde Mitte 1992 das Tor durch ABM-Kräfte in Flechtingen ausgebaut und im selben Jahr noch durch die Magdeburger Paul Schuster KG instand gesetzt und farblich neu gefasst. Nach der Restaurierung der Pylonen wurde dann das Tor im Dezember 1992 wieder in Hundisburg am falschen historischen Standort aufgestellt. Dies verwundert schon sehr, zumal die Quellen einen anderen Standort belegen. Im August 1993 erhielt das Tor die jetzige Farbfassung. Im Oktober 1993 wurden die alten Fundamente entdeckt und freigelegt, sodass es schließlich wieder am historischen Standort eingebaut werden konnte. Eine Odyssee hatte ihr glückliches Ende gefunden. In der Forschung über das „Pariser Tor“ konnte festgestellt werden, dass die Hundisburger Applikationen des Tores aus Messing gegossen und an das Gitter danach genietet wurden. Laut Harald Blanke sollte das schmiedeeiserne Kunstwerk zugleich als Point de vue am Ende der Hauptachse als beeindruckend nah betrachtet wirken. Inwieweit diese 1769 erschienene „Schlösserkunst“ von Duhamel de Monceau berücksichtigt wurde, bleibt fraglich. Am Ende setzte sich der Bauherr hier ein persönliches Denkmal und vollendete so die Schloss- und Gartenanlage des Vaters Johann Friedrich von Alvensleben (1657 - 1728). Volker A. W. Wittich

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