Geht nicht gibt es nicht!

Klaus Kosch mit einem Detail seiner Miniaturlandschaften, die er mit Herzblut und einem kleinen Augenzwinkern gekonnt dem Alltag angelehnt in stundenlanger Handarbeit errichtet.

Modellbauer sind immer etwas verrückt. Sagt von sich Klaus Kosch, der seit mehr als 60 Jahren vom Modellbau-Virus „infiziert” ist.

Das erste Modell einer Eisenbahn, das der heute 66-jährige Klaus Kosch sein eigen nennen durfte, war eine Dampflok der Baureihe 80 – die dreiachsige Zugmaschine der Spur H0 (Nenngröße H0) aus den Sonneberger PIKO Werken hat heute einen Ehrenplatz in der Sammlung. Seit seinem sechsten Lebensjahr ziehen die kleinen Bahnen durchs Leben des Magdeburgers. Gingen sie zunächst in handlicher Spur H0 auf große Fahrt, so wuchsen sie ihm mit – heute gehört zu seinen Favoriten die Spur 0, die mit Detailreichtum und Vielfalt glänzt. Schon bald standen die Signale für eine eigene Modellplatte auf Grün. 1965 war es dann soweit: Auf dem heimischen Wohnzimmertisch stand die erste Platte, auf der die Loks mit angekoppelten Hängern ihre Runden drehten. Die glänzenden Kinderaugen bekamen aber schnell einen herben Rückschlag. Der Hochglanztisch bekam ein paar mächtige Kratzer ab, da einige Schrauben zu lang waren. Klaus Koschs Mutter Rita, die selber bei der „großen” Bahn im Signal- und Fernmeldewerk in der Maybachstraße arbeitete, war nicht begeistert, aber auch nicht nachtragend.

Von diesem Moment an war der Teenager Kosch Stammgast in diversen Modellbahn-Fachgeschäften, an deren Schaufensterscheiben sich ständig Kinder die Nasen plattdrückten und ihre Eltern mit dem Weihnachtswunschklassiker Eisenbahn nervten. Die nächste große Lok war die legendäre Baureihe 01. Die Dampflok inklusive Stromlinienverkleidung, die in der Realität als Schnellzug-Lokomotive Höchstgeschwindigkeiten von 130 Kilometern schaffte, darf auf keiner Modellplatte fehlen und gehörte zur Standardausstattung. Immer das große Vorbild vor Augen perfektionierte Klaus Kosch seine Miniaturlandschaften. Neben der Eisenbahn werkelte er an Fahrzeugmodellen, Autos oder Motorrädern und baute Landschaften nach. Hauptsache klein.

Der Knick bei seinem Hobby kam in der Lehre, den ersten Berufsjahren und der Ehe. Die Ausbildung verlangte mehr Zeit und so legte Klaus Kosch Pinzette, Lupe und Kleber erst einmal beiseite.  Auch die Familie benötigte Zeit und die Freizeit wurde knapper. Dennoch skizierte er auf Pergamentpapier Ideen für spätere Vorhaben. Sah er einmal ein bestimmtes Gebäude, einen Bahnhof oder ein malerisches Bergdorf, visualisierte er es sofort im Maßstab 1:87, damit es später auf seine H0-Platte passte. Mit einer kleinen Wohnung in Olvenstedt gab es dann 1983 wieder Möglichkeiten für die Mini-Landschaften samt Fahrbetrieb. Dank der einklappbaren Betten in der Hellerauer-Schrankwand „Made in GDR” war sogar im Schlafzimmer Platz für sein Hobby. Fünf Meter Länge und 60 Zentimeter in der Breite: Genügend Raum für einen Kopfbahnhof mit Landschaften und vier Zugbewegungen gleichzeitig. Hier wurde noch analog gefahren, die Geschwindigkeit der Züge bestimmte der Fahrregler am Trafo. „Heute fahren unsere Züge digital und per App und WLAN gesteuert. Programme bieten einfach mehr Vielfalt und realistische Fahr-Modis. Das wirkt echt und ist kinderleicht. So leicht, dass wir bei Ausstellungen den jüngsten Besuchern die Smartphones oder Tablets in die Hand geben, damit sie selber die Züge fahren können”, so Klaus Kosch.

Wir – das sind gleichgesinnte Bastelfreunde. Gemeinsam mit 15 anderen Hobbybastlern trifft er sich regelmäßig bei den Cracauer Modellbahnfreunden Magdeburg e.V. Hier werden die Anlagen aber nicht nur aufgebaut, um sich an ihnen im stillen Kämmerlein zu erfreuen, sondern die Bahnfreunde gehen damit auch regelmäßig auf Ausstellungen und Messen. „Wir sind schon ein kleines verrücktes Volk”, behauptet Kosch heute von sich. Und sieht sein Hobby als eine Vielzahl von unterschiedlichen Gewerken. „Ich bin nicht nur Planer und Architekt solcher Modellanlagen. Wo andere aufhören, fangen wir erst an – egal ob nun meine Kenntnisse als Tischler, Mechaniker, Elektriker oder jetzt sogar Elektroniker gefragt sind”, so der Hobbybastler, der sein Rentnerleben mit einer sinnvollen Beschäftigung ausfüllt.

Wenn sich die Modellbahnfreunde treffen, geht schon mal ein Nachmittag drauf. Und das zweimal in der Woche. Das Ergebnis ist nicht nur eine Mini-Landschaft mit Bahnbetrieb, die sich sehen lassen kann. Der Zusammenhalt reicht auch weit über die Vereinsarbeit hinaus. Einmal im Jahr präsentieren die Eisenbahn- und Bastelfreunde ihr Können auf einer Jahresausstellung in den Magdeburger Messehallen im Elbauenpark. Hier in der Halle 3 stehen am ersten Februarwochenende insgesamt 20 Bahnanlagen und zahlreiche Händler und auch Hersteller zeigen die Neuheiten der Branche. Ein Jahr Planung und Vorbereitung gehören dazu. Kein Wunder, dass sich die Cracauer Modellbauer schon jetzt mit der Ausstellung im Jahr 2020 beschäftigen.

Zusätzlich arbeitet Klaus Kosch noch als Vorstandsmitglied in der „Internationale Arbeitsgemeinschaft Modellbahnbau Spur 0 e.V.”, die mehr als 1.000 Einzelmitglieder und Vereine im deutschsprachigen Raum zählt. Sogar in Thailand und Neuseeland sind Mitglieder zu finden. Ihm ist es gelungen, die alljährliche Hauptversammlung nach Magdeburg zu holen. Vom 29. Mai an bis zum 1. Juni 2019 dreht sich in der Messehalle 3 alles um das – inklusive Fachgesprächen, Ausstellungen und Workshops.

Ehefrau Kosch nimmt das Hobby ihres Mannes gelassen. Muss sie auch. Denn laut Aussage ihres Mannes gilt bei den Hobby-Eisenbahnern eine einfache Regel. Was war eher da – die Modellbahn oder die Ehefrau? Da in den meisten Fällen die Eisenbahn schon im Kindesalter einen Platz in den Herzen der Bastler eingenommen hat, ist die Frau immer auf „Platz 2”. Margit Kosch akzeptiert den Spleen ihres Mannes, reist mit auf extra geplanten Entdeckungstouren, um neue Attraktionen für Modellvarianten zu finden. Und wenn sie ihren Mann sieht, wie er die Brille hochschiebt, weiß sie, dass er wieder am Bastelfieber leidet. Wo andere eine Lupe brauchen, arbeitet Klaus Kosch mit Adleraugen. Derzeit werkelt er an einer Winterlandschaft als Altstadt-Variante. Der unterfränkische Ort Miltenberg und Teile der Fachwerkstraße standen hierbei Pate. Aus Digitalfotos entstehen so Maßstabsskizzen, die in filigraner Handarbeit zu echten Modellen führen. Dabei bleibt mitunter die Laubsäge in der Schublade. Heute kommen die Gebäude zum Teil schon aus dem 3D-Drucker. Auch ein Motorrad (Maßstab 1:12) liegt derzeit auf der Werkstatt zum Zusammenbau bereit. Die Kettenglieder (100 Rollen und 100 lasergefräste Stifte), Speichen und andere Teile sind kaum zu sehen, so klein sind sie. Mit Engelsgeduld und ruhiger Hand setzt der Hobbybastler sie zusammen. Und auch die Plastemodelle bekommen bei Kosch eine eigene Handschrift. Bei ihm präsentieren sich die ansonsten geschlossenen Vehikel mit geöffneten Motorhauben, Fahrertüren und anderen Raffinessen. Eben Kosch`sche Unikate.

Heute wohnen die Koschs in Ostelbien. Nach eigenen Aussagen altersgerecht: Auf der einen Seite des Hauses ist die Pfeiffersche Stiftung zu finden, auf der anderen Seite der Friedhof. In der Wohnung gehören zehn Quadratmeter der Leidenschaft. Hier ist eine Platte (Maße 4 Meter x 0,5 Meter) der Spur 0 als Bühne aufgebaut. Der Rest ist Werkstatt. Die Bahnlandschaft ist ein Modulteil, das sich mit anderen Modulen der Cracauer Modellbahnfreunde zu einer großen Anlage verschmelzen lässt. Zum Fundus der kleinen Fahrzeuge zählt eine Bestandskartei. Hier ist akribisch auf Karten aufgelistet, wann und wo und zu welchem Preis Fahrzeuge angeschafft wurden. Insgesamt 3.500 kleine Modellautos, 150 Lokomotiven und 300 Wagen der Spur H0 führt die Kartei auf. Von vielem hat sich Klaus Kosch wieder getrennt. Seine Leidenschaft gehört heute der Spur Null, die mit einem Maßstab 1:45 zwar größer ist und mehr Platz braucht, aber mit ihrem Detailreichtum Bastlerherzen höherschlagen lässt. Klaus Koschs Spezialität ist das Aufpimpen und künstliche Altern der Modelle. So setzt er seinen Wagen und Loks Rostflecken oder Abnutzungserscheinungen hinzu, um die Modelle noch realistischer wirken zu lassen.  
Wenn die Enkelkinder zu Besuch sind, haben diese glänzende Augen und sind wahrscheinlich auch schon vom Modellbau-Virus infiziert. Und auch Sie müssen vorsichtig sein. Denn sollten Sie bei der Ausstellung am 2. und 3. Februar in der Messehalle 3 im Elbauenpark vorbeischauen, kann es passieren, dass sie diese einzigartige Welt voller ungeahnter Möglichkeiten nicht mehr loslässt. Ronald Floum

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