Machtkampf zwischen zwei Gewerkschaften

Am 11. Juli und 1. August demonstrierten Magdeburger Mitglieder der Kommunikationsgewerkschaft DPV vor dem Magdeburger Amtsgericht für die Rechte ihres Betriebsrates und hielten eine 26-stündige Mahnwache ab. Foto: DPVKOM

Die Deutsche Post AG gliederte zum 1. Juli den für den Postleitzahlbereich 38 zuständigen Betriebsteil der Niederlassung Braunschweig in den Betrieb Magdeburg ein und entmachtete damit den gewählten Magdeburger Betriebsrat. Die Alleinvertretung der Arbeitnehmerinteressen beansprucht der Verdi-geführte Betriebsrat. Die mitgliederstarke Magdeburger Fachgewerkschaft DPVKOM wurde damit quasi kaltgestellt. MAGDEBURG KOMPAKT sprach mit DPVKOM-Bundes-Vize und Betriebsratschef Andreas Kögler über Hintergründe und Auswirkungen des Vorgehens.

Herr Kögler, Sie streiten mittlerweile vor Gericht für den Vertretungsanspruch als gewählter Magdeburger Betriebsrat. Was ist der Grund für die rechtliche Auseinandersetzung?
Andreas Kögler: Die Deutsche Post AG hat innerhalb einer Flächenneuorganisation die Niederlassung Brief Braunschweig dem Magdeburger Betriebsteil zugeschlagen. Im Vorfeld war versprochen worden, dass unser Betriebsrat die Amtsgeschäfte bis zur erforderlichen Neuwahl der Arbeitnehmervertretung weiterführt. Dies wurde jedoch schlichtweg unterlaufen. Mir wurde lapidar per SMS mitgeteilt, dass die niedersächsischen Vertreter, die mehrheitlich der Gewerkschaft „verdi“ angehören, die Geschäfte übernommen hätten. Das ist regelrecht undemokratisch und ignoriert geltendes Betriebsverfassungsrecht.

Und das ist Ausgangspunkt des Rechtsstreites?
Hintergrund und Ziel der handelnden Personen war dabei die damit verbundene Zerstörung der sogenannten „Betriebsidentität“ der Niederlassung Magdeburg. Mir wurde als Betriebsratsvorsitzender  mitgeteilt, dass das Übergangsmandat bis zur Neuwahl vom leicht größeren Teil Braunschweig ausgeübt würde. Wörtlich lautete die Formulierung: „Der Betrieb Niederlassung BRIEF Magdeburg verliert seine Identität; das Amt des Betriebsrats erlischt.“ Nach unserer Überzeugung handelt es sich jedoch um eine schlichte Namensänderung, weil sich nach dem 1. Juli keine strukturellen Veränderungen ergeben haben. Schließlich bleiben die Räumlichkeiten ebenso wie die Betriebsmittel oder die Leitungsstrukturen für die Niederlassung Magdeburg dieselben wie vorher. Einzig die Anzahl der Beschäftigten erhöht sich durch die Eingliederung des Braunschweiger Teils. So konstruierte die Deutsche Post gemeinsam mit der ihr genehmen Gewerkschaft im Rahmen des Tarifvertrages Nummer 206 aus der besagten Betriebsaufspaltung Braunschweig mit anschließender Teilintegration in Magdeburg – der andere Teil, die Briefleitregion 37, wurde der Niederlassung Kassel zugeordnet – einfach die Bildung einer neuen Betriebseinheit. Das neue Gebilde heißt seit Anfang Juli „Niederlassung Betrieb Magdeburg.“ Selbst das zeigt doch, wie widersprüchlich der Vertretungsanspruch der Gewerkschafter aus Braunschweig ist.

Nach zwei Verhandlungsterminen im Juli und einem Gütetermin im September vor dem Magdeburger Arbeitsgericht ist keine Entscheidung in Sicht. Wo klemmt es?
Der mit dem Hauptsacheverfahren zur Feststellung der Betriebsidentität betraute Richter kann derzeit kein Datum für eine Kammerverhandlung festlegen. Wir rechnen mit einem Termin im Frühjahr 2020. Beim Arbeitsgericht herrsche schlichtweg personeller Notstand. Mitlerweile haben wir eine Beschwerde beim Justizministerium eingereicht. Die Ministerin Anne-Marie Keding teilte uns inzwischen mit, dass sie die Präsidentin des Landesarbeitsgerichtes gebeten habe, Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens auszuloten.

Was macht die Sache so dringend?
Weil die DP AG und ihr gewerkschaftlicher Verhandlungspartner „verdi“ mittlerweile Tatsachen zu Tarifverhandlungen und Arbeitnehmerrechten schaffen. Das können wir nicht hinnehmen. Und die Argumentation für den Zuschlag des Braunschweiger Betriebsrates ist scheinheilig. Wir haben das nachgerechnet. Demnach hat die neue Niederlassung Magdeburg, Stand August 2019, insgesamt 3.778 Beschäftigte. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens hatte der Anwalt der DP AG am 26. Juli indes erklärt, dass der integrierte Teil der aufgelösten Niederlassung Brief Braunschweig 2.304 und die Niederlassung Brief Magdeburg 1.999 Mitarbeiter habe, summa summarum 4.303. Wie ist da jedoch die offiziell bekannt gewordene Gesamtmitarbeiteranzahl 3.778 zu verstehen? Oder hat die DP AG die Mitarbeiter der ehemaligen Töchter Delivery GmbHs mitgezählt, die selbst einen Betriebsrat hatten? Demnach können in Braunschweig nur 1.779 Beschäftigte verblieben sein. Das ist eindeutig weniger als in Magdeburg. Und damit stünde uns das Vertretungsrecht als Sozialpartner gegenüber dem Arbeitgeber zu. Das zeigt doch, dass man uns nach Strich und Faden belogen hat, um für Braunschweig die Karten zu mischen.

Andreas Kögler, gewählter Betriebsrat der Postniederlassung, sagt, dass Arbeitnehmerrechte mit der Zusammenlegung der Niederlassung Braunschweig und Magdeburg nicht mehr angemessen vertreten werden. Foto: DPVKOM

Warum will man Ihnen das streitig machen?
Die DPVKOM hat für ihre Mitglieder und alle Beschäftigten der Post in der Vergangenheit viel erreicht, und wir sind mit 800 Mitgliedern im Rü-cken ein starker Verhandlungspartner. Natürlich liegt es da nahe, dass die beiden Sozialpartner unseren Einfluss bei der Interessenvertretung der Mitarbeiter unterlaufen wollen.

Aber als Arbeitnehmervertretung sitzen Sie doch mit „verdi“ in einem Boot. Warum gibt es keine Zusammenarbeit?
„Verdi“ trägt gern ihren Alleinvertretungsanspruch vor sich her und hat in Braunschweig mehr Mitglieder. In Magdeburg sind wir stärker. Da ist ihnen natürlich die Jacke näher als die Hose. Wer gibt schon gern seine Position auf?

Aber warum sollten Mitarbeiter hüben wie drüben von „verdi“ mit zweierlei Maß gemessen werden?
Es geht da um ganz handfeste, praktische Auswirkungen. Am 3. Juli bekamen wir einen neuen Tarifvertrag, der zwischen der DP AG und „verdi“ ausgehandelt wurde. Mit uns wurde nicht einmal gesprochen. Braunschweig hat gar kein Paketzentrum wie Magdeburg, aber dort werden die Dienstpläne für unsere Kolleginnen und Kollegen gemacht. Und wir haben derzeit gar keine Möglichkeit, diese auf Schlüssigkeit und Verträglichkeit zu prüfen und nötigenfalls Widerspruch geltend zu machen. Aber inzwischen sind noch eine Menge anderer Sachen passiert. Wir hatten hier bundesweit mit 80 Prozent die höchste Mitarbeiterzufriedenheit in der Deutschen Post AG. Mittlerweile hat die Zufriedenheit um 30 Prozent abgenommen. Es geschehen jetzt auch solche Dinge, dass krankgeschriebene Mitarbeiter zum Personalgespräch beordert werden. So etwas würden wir nicht zulassen. Bedenken Sie die psychische Belastung. Der Krankenstand ist außerdem schlagartig gestiegen. Das wirkt sich doch negativ auf Belastung der verbliebenen Belegschaft aus und führt eher in einen Teufelskreis eines hohen Krankenstandes.

Wie soll es jetzt für die DPVKOM und Sie als Betriebsrat weitergehen?
Wir lassen uns in Magdeburg nicht einfach so abspeisen und kämpfen weiter für unser Vertretungsrecht. Aber indes passieren solche Sachen: Ungeachtet seiner nicht vorhandenen Legitimation hat das von Mitgliedern des gewerkschaftlichen Mitbewerbers „verdi“ dominierte Betriebsratsgremium der aufgelösten Niederlassung Brief Braunschweig nicht nur dreist alle Beschäftigten der neuen Niederlassung Magdeburg per Brief zur Betriebsversammlung am 2. Oktober eingeladen, sondern auch am 26. September einen Wahlvorstand nach ihrem Gusto zur Einleitung der Betriebsratsneuwahlen gewählt. Das ist ein Spielchen nach vorher vom gewerkschaftlichen Mitbewerber festgelegten Fahrplan. Wenn nötig, werden wir die Ergebnisse gerichtlich anfechten.

Glauben Sie noch an eine einvernehmliche Lösung mit Ihrem gewerkschaftlichen Mitbewerber und der Deutschen Post?
Nein. Das gesamte Vorgehen zeigt, dass hier Nägel mit Köpfen gemacht werden sollen. Man will uns ausschalten und damit die Interessenvertretung der Magdeburger Belegschaft schwächen. Am Ende sinken soziale und Tarif-Standards. Dagegen werden wir uns mit allen möglichen rechtlichen Mitteln wehren.

Fragen: Thomas Wischnewski

 

Wer ist die DPVKOM?

Die Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM) ist die Fachgewerkschaft bei den Unternehmen Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Postbank AG. Die Mitglieder verteilen sich in etwa zu 70 Prozent auf die Deutsche Post AG, 20 Prozent auf die Deutsche Telekom AG und zu 10 Prozent auf die Postbank AG. Die DPVKOM ist Tarifpartner bei der Deutschen Post, der Deutschen Telekom und über die Tarifgemeinschaft mit dem DBV und der komba Gewerkschaft bei der Deutschen Postbank.

Die DPVKOM geht aus dem Deutschen Postverband (DPV) hervor. Sie wurde am 6. Juni 1890 als Verband Deutscher Postassistenten in Berlin gegründet und 1997 auf einem Gewerkschaftstag von Deutscher Postverband in DPVKOM umbenannt. Der Sitz ist in Bonn. Die Interessenvertretung hat in der Bundesgeschäftsstelle elf hauptamtliche Mitarbeiter, darunter Referenten für die Bereiche Post/Postbank, Telekom/Call-Center, Tarif/Beamte, Presse, Recht und die Bundesvorsitzende.

Die DPVKOM konzentriert sich auf die Kernbereiche Post, Postbank und Telekom und eine zukunftsorientierte Berufspolitik. In ihren Aktionen zeigt sie sich stets kritisch gegenüber Personalabbauplänen bei den Unternehmen. Sie verlangt innovative und arbeitsplatzsichernde Maßnahmen von den Unternehmen. (Quelle: Wikipedia)

Die DPVKOM hat ihren Sitz in Bonn. Sie gliedert sich bundesweit in die sechs Regional- und Landesverbände Bayern, Mitte, Nord, Nordrhein-Westfalen, Ost und Südwest. Die DPVKOM, Landesverband Bayern e. V., ist dabei eine selbstständige Gewerkschaft; sie ist korporativ der DPVKOM in Bonn angeschlossen. Die amtierende Bundesvorsitzende ist: Christina Dahlhaus | Weitere Informationen: www.dpvkom.de

Zurück