Biedermanns Stift

Bekannt ist der Maler für seine kraftvollen Gemälde. Jetzt stellt Helmut Biedermann seine Zeichnungen in den Mittelpunkt. Arbeiten aus sechs Jahrzehnten.

Vorschau: 1. Juni 2018. 19.30 Uhr. Vor der Kunstwerkstatt im Engpass werden die Leute wieder auf der Straße stehen, weil sie rauchen wollen, weil sie quatschen wollen, weil es drinnen so voll ist, dass man darauf warten muss, dass wieder ein Raucher nach draußen strömt, um für einen Moment drinnen selber Platz zu finden. Das hat einen Anlass. Ein Magdeburger Urgestein unter den Malern, heute im Exil im Oderbruch lebend, stellt erstmals Zeichnungen aus sechzig Jahren aus: Helmut Biedermann, seinerzeit auch Theatermaler in Magdeburg, einer, der eher bekannt ist für Größe und Wucht seiner Bilder, für eine provozierende Farbigkeit. Er tat sich im Vorfeld lange schwer mit dieser Ausstellung. Ja, sie reizte ihn. Das, was er zeigen will, lag bis zu sechzig Jahre im Zeichenschrank, hat das Licht einer Ausstellung nie gesehen. Aber wollen das die Leute auch sehen? Vermissen sie nicht die Farbigkeit, die Unbeherrschtheit des Malers? Mit Blick auf die Ausstellungsmöglichkeiten der Kunstwerkstatt entschloss er sich für die Zeichnungen. Farblos wären sie bei ihm ohnehin nicht gewesen, auch die Bleistiftzeichnungen nicht. Aber natürlich hat er, er wäre ja sonst nicht Biedermann, auch so etwas dabei wie aquarellierte Kohlezeichnungen, beispielsweise das Alte Kino in Biederitz von 1988, oder „Katharina“, eine farbige Pinselzeichnung auf Ingresbütten von 1982. Biedermann fängt damit seine Betrachter nicht ein, er holt sie vielmehr ab bei dem, was sie an ihm kennen und schätzen. Und es wird auch gleich deutlich: Auch wenn er sich gern als „der Wilde“ sieht, was auch seine Zeichnungen auszeichnet, ist die unvermutete Zärtlichkeit, die der Zeichner als Betrachter auf die Gegenstände oder Personen seiner Arbeiten hat. Diese ungeschützte Sensibilität Biedermanns, die sich in seinen Arbeiten enthüllt – die er, indem er sie bildlich ausbreitet, für den Betrachter zulässt. In seinen Arbeiten entäußert sich der Künstler. Das macht sie authentisch, jenseits aller Kunstfertigkeit, die er natürlich auch vor Ausdrucksweisen kann.

Es ist eine Begegnung mit einem anderen Biedermann, die dieser Blick in seine Schubkästen zulässt. Auf eine seltsame Art „fein und genau, detailverliebt und großzügig“, auf eine seltsame Art aber auch voller Kraft und Leben, Biedermann eben. Ab 1. Juni 2018. 19.30 Uhr, vor und in der Kunstwerkstatt in der Schönebecker Straße. (LS)

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