Gedanken- und Spaziergänge im Park: Nun siecht mal schön!

Nun siecht mal schön!“ Diesen Satz sagte der erste Bundespräsident Heuss nicht, als er sich im September 1958 bei einem Manöver der Bundeswehr von den Grenadieren verabschiedete. Er sagte in Wirklichkeit: „Nun siegt mal schön!“ Aber wenn er den ersten Satz gesagt hätte, so wäre es eine prophetische Leistung gewesen. Denn die Bundeswehr siecht dahin. 1955 gegründet, wurde sie im gleichen Jahr der NATO zugeordnet. Damals gab es einen Witz über die Aufteilung der Waffengattungen zwischen verschiedenen NATO-Staaten: die Engländer übernehmen natürlich die Marine, USA die Luftwaffe, Holländer und Belgier die Artillerie, Franzosen die Panzertruppe und die Deutschen die Infanterie. Auf die Frage: und die Italiener? lautete die Antwort: Die machen die Militärmusik. Nach den Meldungen der letzten Zeit über den technischen Zustand der Bundeswehr müsste bei diesem alten Witz die Militärmusik heute wohl den Deutschen überlassen werden.

Was ist nur aus der Bundeswehr geworden? 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt, was vermutlich ein Fehler war. Denn niemand musste zur Bundeswehr, wenn er partout nicht wollte. Es gab ja den Wehrersatzdienst. Wie ich von Soldaten hörte, zeigen sie sich ungern in größeren Städten in Uniform, um nicht angepöbelt zu werden. In den neunziger Jahren erlebte ich auf dem Domplatz eine feierliche Vereidigung, bei der Krakeeler vom Breiten Weg aus permanente Störversuche starteten. In der Tageszeitung stand kürzlich, dass die Berliner SPD beantragt hat, dass Bundeswehroffiziere in Schulen nicht mehr für die Bundeswehr werben dürfen. Spricht diese Partei nicht dauernd davon, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee sei, und gab es vor vielen Jahren nicht das Wort vom „Bürger in Uniform“? Und war es nicht ein SPD-Verteidigungsminister namens Peter Struck, der 2004 die lächerliche Behauptung aufstellte, dass die deutsche Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werden würde? Deutschlands Sicherheit am Hindukusch? Solchen militärischen Größenwahn äußerte nicht mal Kaiser Wilhelm II., der noch über eine große Armee verfügte. Doch was nützt es, die Sicherheit am Hindukusch zu verteidigen, wenn der Hindukusch nach Deutschland kommt?

Apropos Hindukusch: Schauen wir mal auf drei derzeitige Auslandseinsätze der Bundeswehr: Von Jordanien aus macht sie Luftaufklärung gegen den Islamischen Staat (IS), in Afghanistan unterstützt sie die Regierung gegen die stärker werdende islamistische Al-Kaida und in Mali ist sie gegen die islamische Terrorgruppe Boko Haram in Stellung. Hoffentlich kommt nicht irgendein verschrobener Politiker darauf, die  Bundeswehr und ihre Führung – letztlich doch das Parlament – der Todsünde der Islamophobie zu bezichtigen. Und was suchen wir überhaupt wieder in Afrika? Wo wir doch, wie häufig in letzter Zeit zu lesen war, vor über 100 Jahren die   schlimmsten Kolonialverbrecher in Afrika waren? Das nur nebenbei.

Und war es nicht die SPD-Regierung unter Gerhard Schröder mit dem grünen Außenminister Fischer, die 1999 zum ersten Mal die Luftwaffe in Europa gegen Serbien einsetzte? Da mag das neue Ansinnen der Berliner Genossen reichlich scheinheilig, wenig geschichtsbewusst und kaum sachverständig erscheinen. Doch es passt in die Zeit, in der das Ansehen der Bundeswehr weiter beschädigt wird.

In den letzten Jahren hörte man meist Katastrophenmeldungen: Flugzeuge, die nicht fliegen. Panzer, die nicht fahrbereit sind. Keine einsatzbereiten U-Boote und Hubschrauber. Die Piloten absolvieren ihre Pflichtstunden mangels nicht einsatzbereiter Technik beim ADAC. Seit Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin ist, häufen sich solche Nachrichten. Dafür gibt es jetzt Umstandskleider für schwangere Soldatinnen und ein großes Aufräumen bei der Traditionspflege. Jeder alte Stahlhelm der Wehrmacht muss weg! Dabei wird völlig vergessen, dass soldatische Tugenden, wie Mut, Tapferkeit, Einsatzbereitschaft und Kameradschaft unabhängig davon sind, welche gute oder schlechte Regierung die Soldaten in den Kampf schickten. Schon oft In der Geschichte wurden Soldaten für schlechte Ziele missbraucht. Sie wurden nie gefragt, ob sie einverstanden waren. Vielleicht haben soldatische Tugenden manchem das Leben gerettet. Und um diese Tugenden geht es bei der Traditionspflege. Man mag das bedauern, aber eine Armee braucht andere Tugenden als die Heilsarmee oder ein Nonnenkloster. Diese Tatsache sollte man anerkennen, ehe man mit allem aufräumt, was Soldaten wichtig ist. Ganz abgesehen davon, dass das nichts weiter als demonstrative Tünche ist, ohne jeden Sinn für die Effektivität und die Einsatzfähigkeit einer Armee.

Dazu passt letztlich auch, dass unter Frau von der Leyen wohl über 300 Millionen Euro für Beraterverträge ausgegeben wurden. Wozu gibt es höhere Offiziere und Beamte, wenn die nicht genügend Sachverstand haben, um Entscheidungen zu fällen? So wurde eine frühere Mitarbeiterin der riesigen Beratungsfirma McKinsey unter dieser Ministerin Staatssekretärin! Auch ihr Mitarbeiter Gundbert Scherf von dieser Firma. Waren beide Militärexperten? Wohl kaum. Was suchen Unternehmensberater bei der Bundeswehr? Eine Armee ist kein produzierender Konzern, der Gewinn erwirtschaften soll, sondern eine aus Menschen bestehende und von Menschen geführtes Instrument, die ein Land und seine Bevölkerung vor Angreifern schützen soll und seinen Zweck am besten dadurch erfüllt, wenn sie nicht gebraucht wird. Das ist ein massiver Unterschied zu einem Wirtschaftsunternehmen. Der Skandal mit den Beraterverträgen, dessen Aufklärung noch in Gang ist, hatte zur Folge, dass die Staatssekretärin Suder ihren Posten aufgab. Dafür ist sie jetzt die Vorsitzende des kürzlich gebildeten Digitalrates der Bundesregierung. Fein. Ach, was waren das vor über 100 Jahren noch Zeiten, als die entsprechenden Ressortchefs nicht schönfärberisch Verteidigungs-, sondern ehrlicherweise Kriegsminister hießen, die eine militärische Laufbahn hinter sich hatten und Sachverständige waren.

Da wir gerade bei der Vergangenheit sind, noch eine Nachricht aus Berlin: Nachdem man dort im afrikanischen Viertel Straßennamen zum Teil politisch korrekt geändert hat, weil deutsche Afrikaforscher grundsätzlich üble Kolonisatoren waren, ergriff jetzt ein Berliner Abgeordneter von den Grünen die Initiative, dass ebenso preußische Heerführer wie Blücher, Scharnhorst oder Gneisenau aus der Liste der Straßennamen zu verschwinden hätten. Übrigens gibt es auch in Magdeburg einen Scharnhorstring. Schließlich seien das alles Militaristen gewesen und das Beibehalten ihrer Namen diene nicht der Freundschaft unter den europäischen Völkern. Sie wären es nicht wert, auf diese Weise im historischen Gedächtnis zu bleiben. Ich frage mich, ob man sich solch ein Vorhaben in Frankreich oder Großbritannien vorstellen kann? Ich kann es nicht. Wieder einmal eine Idee von Menschen, die meinen, dass die Deutschen besser als alle anderen sein sollten. Nach dem alten Motto: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!“

Man möchte es kaum sagen, aber dagegen war die DDR in ihrer Geschichtsbetrachtung fast ein patriotischer Staat mit Nationalgefühl! Oder muss man das nach heutigem Sprachgebrauch „völkisch“ nennen? Dieser fast schon vergessene Begriff wurde ebenso von Politikern, Ideologen und Journalisten aus der Mottenkiste des Nazivokabuluars herausgeholt. Man hat ihn liebevoll aufpoliert, um ihn als Stigmatisierungs-Waffe gegen Andersdenkende einzusetzen. So möchte man Konkurrenten ächten und zu politischen Unpersonen umdeuten. Das hat den Vorteil, dass man sich nicht mehr mit ihnen im Gespräch oder in einer Diskussion auseinandersetzen muss, sondern ihnen stattdessen verächtlich die Schulter zeigen kann. Im Grunde genommen ist das eine Art verbaler Vernichtung anstelle einer leiblichen. Sollte man das nicht endlich lassen? Das hatten wir doch schon zur Genüge im Faschismus, im Stalinismus und während allen möglichen anderen diktatorischen Zeiten. Jedenfalls siegt so nicht die Demokratie, sondern sie siecht. Es reicht.

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