Alle sind Sammler

Jeder Gegenstand hat das Zeug zum Sammelobjekt. Das glauben Sie nicht? Am besten schauen Sie sich in der eigenen Wohnung um und tragen mal ehrlich zusammen, was von allen Gegenständen Tinnef ist und was Sie wirklich zum Leben benötigen. Und dann ist da noch die Frage, warum man sich so schwer von dem angesammelten Kram trennen kann? Eine Gedankensammlung.

Als Jäger und Sammler bezeichnen Anthropologen und Ethnologen Gemeinschaften und indigene Völker, die ihre Nahrungsgrundlage durch Jagd, Fischfang sowie durch Sammeln von wildwachsenden Pflanzen und Früchten sichern. Für uns Europäer hat die Jäger- und Sammler-Epoche in graue Vorzeiten als Existenzsicherung ausschließlich aus Nahrungsbeschaffung bestand. Als sich unsere Vorfahren Jagdwaffen und Werkzeuge zu eigen machen konnten, war der Sprung vom Tier zum Homo sapiens geglückt – so sagen es jedenfalls die Menschenkundler. Während die Jagd heute eher ein elitäres Hobby ist und für ein Gleichgewicht des Wildbestandes in freier Natur sorgen soll, ist das Sammeln ein ständiger Begleiter.

Im ersten Augenblick fallen einem beim Wort Sammelleidenschaften die vielen Liebhaber von antiken Gegenständen wie Münzen oder Schmuckstücken ein. Andere sammeln Spielzeuge, Autos oder Bilder. Erfahrungen sammeln ohnehin alle, und zwar täglich. Schließlich kann jeder an einem bestimmten Ding irgendeine Faszination finden und häuft davon vielleicht mehr an als man nützlicherweise gebrauchen könnte. Und wird der Berg an gesammelten Gegenständen immer größer, wird er entweder sortiert, katalogisiert, sicher aufbewahrt und vielleicht sogar anderen präsentiert. Antike Sammlungen können enorm wertvoll sein – in den Museen der Welt lagern unbezahlbare Schätze der Menschheitsgeschichte. Selbst Bilder oder andere Kunstwerke erfreuen sich enormer Anziehungskraft einer kaufkräftigen Sammlerschar.

Ja selbst Geld ist eines der begehrtesten Sammelobjekte. Kaum ein Mensch kann sich dem Fetisch des universellen Tauschmittels entziehen. Manchen gelingt es, davon mehr anzuhäufen als sie je im Leben verbrauchen könnten. Und das, obwohl die eigentliche Sammlung oft nur aus imagniären Zahlen besteht, die auf einem Kontoauszug erscheinen. Wer jedenfalls einmal von einer Sache eine größere Menge zusammengetragen hat, merkt, wie schwer es einem dann fallen kann, sich davon wieder zu trennen. Am Ende bleibt jede Sammlung im irdeschen Sein und kann doch in kein Jenseits mitgetragen werden. Eigentlich weiß das jeder und dennoch wird auf Teufel komm raus gesammelt, was das Leben hergibt. Positiv sei hervorgehoben, dass ohne manche Sammelleidenschaft kaum eine museale oder künstlerische Ausstellung denkbar wäre. Mitunter kann eine regelrechte „Sammelwut“ kurioser Gegenstände dazu führen, dass etwas weit über das eigene Leben hinaus erhalten bleibt und für zahlreiche Nachfahren zur Betrachtung und Bewunderung ausgestellt wird.

Doch warum steckt in uns ein Keim, etwas zusammenzutragen und aufzubewahren? Warum will der Antrieb nicht enden, immer weitere Komponenten einer Sache dem schon Vorhandenen hinzufügen zu wollen? Offenbar gehört das Anhäufen von Dingen in unsere psychische Natur und hat möglicherweise gar mit dem eigenen Ich zu tun. Schließlich wird jedes Element, das im Leben eine persönliche Bedeutung erlangt, im Geiste tief verinnerlicht. Man könnte gar sagen, es wächst in die eigene Persönlichkeit ein und bereichert sie. Das Wort bereichern mag da ein Schlüsselbegriff sein und die Sicht dafür öffnen, dass es uns fortwährend um eine Anreicherung unserer Person geht und oft sogar darum, dass andere die vielen angesammelten Dinge als etwas Besonderes sehen mögen. Es drückt sich dadurch Individualität aus, man hebt sich gegenüber anderen hervor.

Auch wenn es absurd erscheint, doch gibt es eben Leute, die gar stolz ihre Sammlung an Partnerschaften – und seien diese noch so flüchtig gewesen – anderen vorzeigen. Von daher verwundert es auch nicht, dass sich Multimilliardäre eine Sammlung an Firmen zulegen oder eben außergewöhnliche Luxusgegenstände. Dabei mag für Ottonormalverbraucher manche pervertierte Neigung sichtbar werden. Doch ohne die Sammlungen einstiger Könige und Fürsten wären wir um einiges Staunen ärmer. Letztlich ist jede alte Zusammenstellung etwas, das uns Geschichte gegenständlich macht, Kunsthandwerk und besondere Fähigkeiten demonstriert. Ohne das Sammeln hätten wir ganz sicher manche wissenschaftliche oder nur neugierige Reise in die Vergangenheit nicht unternehmen können. Sammeln Sie also getrost weiter. Es findet sich immer ein Bewunderer. Thomas Wischnewski

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