Der Europacup soll her

Da der SC Magdeburg im nationalen Pokalwettbewerb bereits ausgeschieden ist und in der Meisterschaft ein vierter Rang ein äußerst ambitioniertes Ziel wäre, setzen die Grün-Roten vor allem auf ein erfolgreiches Abschneiden im EHF-Cup.

Eigentlich sollte der Januar ja so etwas wie ein richtiger Freudenmonat für den deutschen Handball werden. Nach den Sensationserfolgen 2016 wollte der Europameister und Olympia-Dritte bei der WM in Frankreich nach den Sternen greifen. Das Ergebnis ist bekannt: Mit dem ernüchternden Aus im Achtelfinale war die Enttäuschung unter den Fans, auch hier in Magdeburg, ziemlich groß. Zum Jubeln blieb keine Gelegenheit. Umso mehr fieberten die Anhänger der Grün-Roten daher dem Rückrundenstart ihres SCM entgegen. Und der enttäuschte die Hoffnungen bisher nicht – mit drei Erfolgen im neuen Jahr und damit sechs Siegen in Folge in der Liga katapultierte er sich vorerst auf Rang fünf.  
Die Konkurrenz zeigt sich beeindruckt. Wetzlars Coach Kai Wandschneider am Wochenende nach der 18:26-Heimklatsche gegen die Elbestädter: „Der SCM spielt sehr stabil, hat sich enorm weiterentwickelt, auch individuell. Damgaard ist ein geiler Rückraumspieler, die beiden Spielmacher Bezjak und O’Sullivan beeindrucken.“ Cheftrainer Bennet Wiegert hörte es mit Wohlgefallen, meinte: „Wir können noch mehr, wollen uns stets weiterentwickeln.“
Es ist exakt der fünfte Rang, der auf jeden Fall nötig wäre, will sich das Team Chancen ausrechnen, das Saisonziel – nämlich erneut einen Startplatz für den Europacup – ausgerechnet über die Meisterschaft zu erreichen. Um allen Unwägbarkeiten aus dem Weg zu gehen, müsste es sogar Platz vier sein. Doch allein ein Blick auf den wackligen Saisonstart und die nächsten Gegner (die beiden Giganten Kiel und Flensburg daheim, Melsungen auswärts) zeigt, welch ambitioniertes Vorhaben dies wäre. Und da das Wiegert-Team im deutschen Pokal als Titelverteidiger nicht mehr im Wettbewerb vertreten ist, bleibt eigentlich der EHF-Cup als realistischste (und einfachste) Möglichkeit, auch in der nächsten Saison wieder international aufzutreten.
„Zumal wir als Mitfavorit gelten“, so Abwehrspieler Fabian van Olphen. Der Kapitän, der den Verein im Sommer nach elf Jahren verlassen wird, will mit seinen Jungs zum Abschied mit dem Pokal im Arm noch einmal auf dem Magdeburger Rathausbalkon jubeln. Er verspricht: „Alle geben alles. Meister und Pokalsieger werden wir nicht mehr, es bleibt also nur noch der EHF-Cup. Wir sind alle heiß darauf, den zu gewinnen. Das ist das große Ziel, für das wir arbeiten." Dem Holländer ist zudem nicht verborgen geblieben, dass der SCM gerade im EHF-Cup auf eine überaus erfolgreiche  Vergangenheit zurückblicken kann. Dreimal triumphierten die Elbestädter in diesem Pokal-Wettbewerb: 1999 im Finale gegen CBM Valladolid aus Spanien, 2001 in einer dramatischen Schlacht gegen die Kroaten vom RK Metkovic, 2007 gegen BM Aragon aus Spanien.  
Natürlich müssten die Magdeburger, um auch diese Spielzeit mit einem spektakulären Erfolg abzuschließen und 2017/18 wieder international zu spielen, den EHF-Cup gewinnen. Nach dem Auftakt in der Gruppenphase (Unentschieden im dänischen Kolding, Sieg daheim über die Ungarn aus Tatabanya) läuft für den SCM vorerst alles nach Plan. Große Spannung verspricht auf jeden Fall das diesjährige Final-Four-Turnier, das am 20. und 21. Mai in Göppingen ausgetragen wird. Es könnte zu einem großen deutschen Handball-Festival werden, denn in der Gruppenphase sind noch vier deutsche Mannschaften vertreten. Eigentlich im Wortsinn ein Witz, dass es zu einer zunächst ins Auge gefassten Bewerbung Magdeburgs für dieses Turnier nicht kam. Denn ausgerechnet Comedian Paul Panzer (!) hatte die Halle vor den Handballern für einen Auftritt blocken lassen – und beharrte stahlhart auf diesen Termin …
Sei es wie es sei, den SCM-Handball sollte dieses kleine Nebenschauplatz-Scharmützel gewiss nicht von seinem Kurs abbringen. Der ist, wie einer der jüngsten Verlautbarungen des Klubs zu entnehmen ist, nicht nur erfolgreich (Präsident Dirk Roswandowicz: „Der Verein ist vollständig saniert und auch die sportliche Entwicklung mit vier EHF-CUP-Qualifikationen, zwei deutschen Final-Four-Teilnahmen und einem nationalen Titel in den letzten sechs Jahren können sich sehen lassen.“), sondern auch weiter stark zukunftsorientiert. Deshalb wird ab Juli auch an einigen Stellschrauben in der Struktur des Klubs gedreht. Bemerkenswert dabei vor allem: Trainer Bennet Wiegert (35) steigt nur eineinhalb Jahre nach seiner Berufung zum Cheftrainer nun zum Geschäftsführer Sport auf und verantwortet künftig den „Gesamtkomplex Handball“ beim SCM. Ein Novum in der Bundesliga, denn in der stärksten Liga der Welt gibt es – wenn die Recherche nicht völlig lügt - keinen Verein, bei dem der Trainer zugleich als Geschäftsführer tätig ist. Nicht einmal ein Alfred Gislason in Kiel… Rudi Bartlitz

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