Die Riesen von Wolmirstedt

Das überdimensionale Banner mit der Aufschrift „SBB - Leistungszentrum für Sport, Marketing und Bildung“, das seit einiger Zeit im Zentrum von Wolmirstedt prangt, ist für den Vorbeigehenden kaum zu übersehen. Doch selbst so mancher Einheimischer kratzt sich ein wenig verlegen am Kopf:  Was verbirgt sich denn hinter dieser, auf den ersten Blick zugegeben nicht gerade bescheiden klingenden Institution?

Geschäftsstellenleiter Michael Canty gibt, als MAGDEBURG KOMPAKT dieser Tage in der Bördestadt vorbeischaute, Auskunft. „Wir wollen mit dem im Januar aus der Taufe gehobenen Projekt verschiedene Randsportarten in unserer Region unterstützen und fördern“, sagt der 30-Jährige. Richtig gehört: Randsportarten! Eben nicht Fußball oder Handball. „Das gilt gleichermaßen für den Profi- und den Breitensport. Wir kümmern uns dabei um die Vermarktung ebenso wie um die Organisation. Außerdem wollen wir mit dafür sorgen, dass sich für Sportler, die bei uns aktiv sind, Wege zu Ausbildungs- und Studienplätzen öffnen.“

Quasi Vorzeigeobjekt, und Kern allen Handelns, sind die Wolmirstedt Basketballer. Um das Team, das derzeit in der 1. Regionalliga aufläuft, rankt sich alles. Die Korbjäger stehen sozusagen im Schaufenster des neuen Leistungszentrums. Und die SBB-Gruppe, die in der  knapp 12.000 Einwohner zählenden Gemeinde beheimatet ist, bildet sozusagen das wirtschaftliche Herz des Ganzen. Wobei SBB als Abkürzung für Segment-Behälter-Bau steht. Das Unternehmen beschäftigt etwa 70 Mitarbeiter und stellt unter anderem Löschwasserspeicher her. Seit 2016 führen die Basketballer offiziell das Firmenkürzel in  ihrem Vereinsnamen.

Die SBB Baskets sollen, geht es nach den Worten von Dirk Uhlemann, Vorstand Leistungssport und einer der Wolmirstedter Macher, einmal „das sportliche Aushängeschild einer ganzen Region werden“. Und in ihrem Sog will man sozusagen auch andere Sportarten und Sportler mitnehmen. Ein ganz und gar nicht unwichtiger Nebenaspekt: „Die Abwanderung junger talentierter Sportler in andere Regionen soll verhindert werden.“ Um dies alles zu koordinieren, wurde das Leistungszentrum, das sich aus Sponsorenbeiträgen finanziert, aus der Taufe gehoben. Neben 13 (!) Basketball-Mannschaften gehören dazu vorerst das La-Onda-Radteam, der Kampfsportler Niklas Stolze und die jungen Fechter vom SV Angern.

Möglich ist das alles erst geworden, weil die SBB-Macher in den letzten Jahren ein leistungsfähiges Team von Wirtschaftspartnern, Unterstützern und Sponsoren um sich scharten. Deren Zahl schnellte binnen kürzester Zeit von 45 auf 75 in die Höhe. „Unser Leistungszentrum bietet den Unternehmen ein vielschichtiges Netzwerk“ erläutert Geschäftsstellenleiter Canty. „Außerdem verfolgen wir das Ziel, den Bekanntheitsgrad unserer Partner sowohl regional als auch überregional zu erhöhen. So können neue Kunden und Partner gewonnen, aber auch die Unternehmensmarke kann gestärkt werden. Zudem können wir den Unternehmen dabei helfen, aus den Kreisen unserer Sportler motivierte und leis- tungsorientierte Mitarbeiter für später zu gewinnen.“ Geplant ist ebenso, die Zusammenarbeit mit der Uni Magdeburg, der Fachhochschule Magdeburg-Stendal und einigen Schulen auszubauen.

Noch aber richtet sich der Fokus in der 20 Kilometer nördlich von Magdeburg gelegenen Stadt voll auf die langen Kerls unter den hochhängenden Körben. Sie sollen es richten, sich, wie Vorstand Uhlemann betont, „zukünftig als feste Größe im deutschen Basketball präsentieren“. Von ihrem (sportlichen) Erfolg hängt also vieles ab. Im Gegensatz zu vielen anderen (durchaus höherrangigen Mannschaften in der Nachbarschaft) ist in dieser Saison ein klares Ziel vorgeben: Aufstieg in die zweite Bundesliga. „Wenn du am Ende ganz vorn sein willst, bedeutet das in einer Staffel mit 13 Teams, die vor allem aus Norddeutschland, Niedersachsen und dem Berliner Raum kommen, möglichst jede Partie zu gewinnen“, unterstreicht Canty. „Bereits ein oder zwei Niederlagen können dir alles vermasseln.“

Um dies zu verhindern, wurde in den zurückliegenden Monaten nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt. Motto: „One Team, one Mission“. He-rausgekommen ist ein in der neuen Saison von Headcoach Eiko Potthast betreutes Profi-Aufgebot - mit der Bezeichnung „Profi“ geht man bei den SBB Baskets übrigens sehr offensiv und völlig unverkrampft um -, das die Regionalliga-Meisterschaft gewinnen soll. In dem Team, das neben der allgemeinen Athletik wöchentlich sieben Mal gemeinsam trainiert, stehen derzeit neun Vollprofis und vier Studenten, nur einer der 14 Spieler nimmt eine Vollzeit-Arbeitsstelle ein. Der Verein stellt jeweils zwei von ihnen eine Wohnung. Nahezu alle Akteure, das ist den Wolmirstedtern sehr wichtig, sind in die Nachwuchsarbeit des Vereins eingebunden, kümmern sich um Arbeitsgemeinschaften an Schulen.

„Unsere Spieler kommen aus vier Nationen, aus den USA, aus Großbritannien, aus Kroatien und natürlich aus Deutschland. Der Älteste ist 30, der Jüngste 20, das Durchschnittsalter liegt um die 25 Jahre“, so Canty, der selbst einst in Magdeburg und Bremerhaven auf Korbjagd ging und einen Master-Abschluss in Management besitzt. „Basketball ist mein Leben seit ich acht bin“, sagt der Sohn eines US-Amerikaners und einer Französin, der zurzeit „nebenbei“ an der Uni Magdeburg an seiner Promotion arbeitet. „Dieser Sport hat mir so viel gegeben, ich freue mich, jetzt an dieser Stelle einiges zurückgeben zu können.“

Diese Freude am Korbball hat er, das ist ziemlich offensichtlich, hier nicht allein. Die SBB Baskets entwickelten sich mittlerweile zu einem richtigen Zuschauermagneten – mit Cheerleadern und allem Drum und Dran. Da kann so mancher höherklassige Fußballverein nur neidisch werden. Die Zahl der Besucher verdoppelte sich nahezu. Zwischen 600 und 700 Zuschauer strömten im Schnitt in der zurückliegenden Saison zu den Spielen in die „Halle der Freundschaft“. Sie kommen nicht nur aus der Stadt und dem Bördekreis, sondern auch aus Magdeburg, Barleben und Schönebeck. „Canty: „Irgendwann wollen wir die Tausender-Marke knacken.“  Vielleicht gelingt das ja schon bis April nächsten Jahres, wenn die Saison endet. Aber dann wird die Zuschauerzahl sicher nicht das Wichtigste sein. Dann will man vor allem wissen, ob der Traum vom Zweitliga-Basketball in Wolmirstedt in Erfüllung gegangen ist. Rudi Bartlitz

Basketball in Sachsen-Anhalt

In 54 Vereinen Sachsen-Anhalts wird Basketball betrieben. 2.200 aktive Spieler gibt es, 110 lizenzierte Trainer und 100 Schiedsrichter. In den vergangenen fünf Jahren ist die Mitgliederzahl des Verbandes um zehn Prozent auf 2.180 Mitglieder gewachsen – trotz großer Konkurrenz anderer Sportarten und Abwanderung. Mit Andreas Obst (23), der derzeit für den Bundesligisten ratiopharm Ulm aufläuft, kommt ein aktueller deutscher Nationalspieler aus Sachsen-Anhalt. Ab den sechziger Jahren war Halle (SC Chemie, später KPV) eine Basketball-Hochburg  der DDR. Mehrfach ging der Meistertitel an die Saale. Mit Volkhard Uhlig kam seinerzeit einer der besten europäischen Akteure aus Halle. Mehrfach wurde er für die Europaauswahl nominiert, durfte dieser Berufung aber wegen der „Republikflucht“ seines Bruders Helmut, ebenfalls Ex-DDR-Nationalspieler, nicht nachkommen. Heute ist Sachsen-Anhalt durch den Mitteldeutschen BC und den Halle Lions in der ersten Bundesliga vertreten.  Die BSW Sixers aus Bitterfeld, Sandersdorf und Wolfen treten in der Pro B, der dritthöchsten Spielklasse, an. In der 1. Regionalliga Nord, der vierten Liga, sind die Aschersleben   Tigers und die Baskets Wolmirstedt vertreten. Hochtrabende Pläne über Profi-Basketball kursierten in den ersten Jahren dieses Jahrzehnts in Magdeburg. Durch eine Hintertür gelangte der Verein, der sich seinerzeit Otto Baskets nannte, tatsächlich in die zweite Bundesliga (ProA). Der sportliche Abstieg folgte prompt (2014), gleichzeitig wurden enorme wirtschaftliche Probleme bekannt. Für die Saison 2015/16 verweigerte die Liga den Otto Baskets wegen Zweifeln an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Liquidität die Lizenz. Seit 2017 sind die Baskets wieder von der Landkarte der deutschen Korbjäger-Vereine verschwunden.

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