Protest und Widerstand

Im Fußball ist einfach zu viel Geld im Spiel – auch das ist ein Grund für zahlreiche Proteste.

Die eigentlich so schöne Welt des Fußballs wird immer mehr von Konflikten jenseits des Rasens überlagert. Vielfach sind die Gründe dafür allerdings berechtigt.

Tore und Punkte sind eigentlich zweitrangig. Um diesen Eindruck kommt der Freund des Fußballs dieser Tage nicht mehr herum. Nein, Protest ist vielmehr angesagt. Die Stimme erheben, anklagen, sich widersetzen, so lautet das Motto der Stunde. Ob nun gegen überbordende Kommerzialisierung, gegen das Verbot von brandgefährlichen Bengalos im Stadion oder den vermaledeiten Video-Beweis. Keine TV-Sportsendung, kaum eine Zeitungsseite, wo nicht von Protesten die Rede ist. Protest gegen nahezu alles und inzwischen nahezu jeden.
 
Da wird, um einmal ganz oben anzufangen, von den Fans der Größenwahn des Weltverbandes Fifa und dessen Chef Gianni Infantino – völlig zu Recht übrigens – angeklagt, einerseits die Weltmeisterschaft weiter zu einer reinen Geldbeschaffungsanlage (die sie ja de facto schon längst ist) aufzurüsten und im selben Atemzug für, wohl aus saudi-arabischen Quellen stammende, sittenwidrige 25 Milliarden (!) Euro zwei neue globale Wettbewerbe aus dem Boden zu stampfen. Damit sich der weltweite Sport Nummer eins immer weiter von seiner Basis entferne.
 
Widerspruch erhebt sich ebenso dagegen, dass sich nahezu zeitgleich Europas Fußballadel still und heimlich Gedanken um eine sogenannte Superliga macht. Pläne schmiedet, sich heimlich trifft. Für eine Spielklasse, in der es keinen Abstieg gibt und die Reichen unter sich sind. Wo die Einnahmen noch einmal richtig explodieren. Dank an die Whistleblower, die rechtzeitig das klandestine Unternehmen an die Öffentlichkeit zerrten und dessen Anstifter erst einmal aufschrecken und zurückrudern ließen. Aber man kennt die auf Euros und Dollar fixierten Pappenheimer: Aufgeschoben ist bei ihnen nicht aufgehoben.
 
Nun könnte man meinen, Protestwellen seien allein eine Reaktion auf die Ränke all der Blatters, Infantinos, nahöstlichen Öl-Magnaten, russischen Oligarchen oder amerikanischen Milliardäre dieser Welt. Falsch gedacht. Deutschland mischt in dieser Massenbewegung, die sie mittlerweile ist, munter mit. Ein Leidtragender ist sofort auszumachen: die Nationalmannschaft. Nach einer Horror-Saison leidet sie unter Stimmungsprotesten auf den Tribünen. Da geht es um Atmosphärisches, das wäre eventuell noch zu verschmerzen. Doch auch kommerziell sind Misstöne nicht zu überhören, wenn auch zwei, drei Stufen tiefer angesiedelt als im Weltfußball. Dort geht es nicht um Milliarden. Bei uns leider nicht, ist aus dem Süden der Republik grummelnd zu vernehmen. Da hat man als FC Bayern jah­re­lang die Bun­des­li­ga do­mi­niert, galt nicht nur als „Stern des Sü­dens“, son­dern auch als Aus­hän­ge­schild, und dann wird man im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich der­art ab­ge­hängt, dass all die Su­per­rei­chen aus Eng­land, Spa­ni­en und Frank­reich nur noch mit dem Fern­glas zu er­ken­nen sind. Ein Jam­mer!
 
Aber jammern nützt nichts. Wenn schon nicht das ganz große Rad gedreht werden kann, muss man eben sehen, wie auf dem Binnenmarkt der eine oder andere Euro zusätzlich herausgequetscht werden kann. Stillstand ist Rückschritt. Und Kleinvieh macht, wer weiß es besser als Ex-Zocker Uli Hoeneß, eben auch Mist. Also musste der Spielplan herhalten. Das Problem: Dienstag und Mittwoch Champions League, Donnerstag Europa League, Freitag, Sonnabend, Sonntag Bundesliga. Was nun? Nach langen Überlegungen und diversen Arbeitsgruppen gelang doch noch der Durchbruch: Da muss, so hieß es, und so leid es uns tut, halt der Montag ran.  
 
Und weil die Euro-Zeichen so schön in den Augen flackerten und mehr exklusive TV-Termine zusätzliche Einnahmen versprachen, stimmten alle Bundesligisten gern zu, Montagsspiele einzuführen. Dass sie sich damit explizit gegen die Interessen ihrer Fans stellten, nahmen sie billigend in Kauf. Der Rest war Sache der PR-Abteilungen. Montagsspiele, hieß es plötzlich, würden den Amateurfußball schützen, da dieser nach wie vor sehr viele Begegnungen am Sonntag austrage. Partien am ersten Tag der Woche kämen zudem den Europa-League-Startern entgegen. Sie hätten nach ihren internationalen Auftritten die Chance auf einen Tag mehr Pause.
 
Alles Humbug, sagten die Anhänger. Und protes-tierten. Gewaltig, beispielweise mit einem bundesweiten Aktionstag Anfang Dezember in den Stadien der Erst- und Zweitligisten, und verbunden mit einem Stimmungsboykott. Auch vor dem Bochum-Spiel in Magdeburg blieb die Nordtribüne zehn Minuten lang leer. Aus der bundesdeutschen Fanszene hieß es unzweideutig: „Im Sinne eines Fußballs für die Fans und nicht eines des finanziellen Profits.“ Die Bundesliga erschrak, ihre Entscheidung wollte sie „noch einmal überdenken“ – und nahm sie wieder zurück; wenn auch wegen der bestehenden TV-Verträge erst ab 2021.
 
Proteste, wir haben es sogar noch ein bisschen kleiner: In der vierten Liga balgt man sich um eine gerechte Regelung für den Aufstieg – seit Jahren ohne Erfolg. Hier richten sich die Anwürfe vor allem gegen den deutschen Verband. Der ansons-ten so selbstgefällige DFB, der sich als die größte Fußballvereinigung der Welt feiert, bringt es einfach nicht fertig, ein gerechtes Verfahren auszuarbeiten (was im Übrigen auch der 1. FC Magdeburg explizit unterstützt), dass es jedem Regionalmeis-ter ohne zusätzliche Ausscheidungsspiele garantiert, in die dritte Liga aufzusteigen. Wieder hagelt es Proteste. Vor allem aus dem Osten, der argwöhnt, es gehe westlichen Verbänden und Vereinen – neben der Erhaltung alter Pfründe – vor allem darum, die nordostdeutsche Liga, nachweislich die leistungsstärkste vierte Spielklasse in Deutschland, ein für allemal zu zerschlagen. Wenn das kein Grund für Auflehnung ist! Rudi Bartlitz

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